Erste Überlegungen zum geplanten Zertifizierungs- und Qualitätssystem
Es wurde dieser Tage in der Presse thematisiert: Das vom Landwirtschaftsministerium vorgeschlagene Zertifizierungs- und Qualitätssystem für Lebensmittel. Dasselbe wurde bereits vor mehr als zwei Jahren sehr kontrovers diskutiert.
Kurz zur Erinnerung: Nach der erfolgreich in 2016, von der Landwirtschaft, zusammen mit dem Wein- und Gartenbau, durchgeführten öffentlichen Petition, in der ein verstärkter Absatz der Produkte aus der hiesigen Landwirtschaft in der öffentlichen Restauration gefordert wurde, war dem damaligen Landwirtschaftsminister von Seiten der Abgeordnetenkammer der Auftrag erteilt worden, mitzuhelfen, eine geeignete Plattform in den Strukturen der Landwirtschaftskammer einzurichten, um den Austausch zwischen Produzenten, Verarbeitern und Restaurationsbetreibern zu fördern. Anstatt jedoch gemeinsam mit der Landwirtschaft in diese Richtung zu agieren, präsentierte das Landwirtschaftsministerium im August 2017 eine Gesetzesvorlage, die in keiner Weise den gestellten Ansprüchen gerecht wurde, die sogar riskierte, sich schädigend für den hiesigen Agrarsektor auszuwirken. Demzufolge wurde das Vorhaben des Ministeriums von der Landwirtschaft – Landwirtschaftskammer und Bauernorganisationen –zurückgewiesen. Die Vorschläge wurden ebenfalls sehr kritisch in der parlamentarischen Agrarkommission bewertet.
Ziel des Zertifizierungs- und Qualitätssystem muss nach wie vor die Förderung des Zugangs der Produkte aus der hiesigen Landwirtschaft in die öffentliche Restauration sein. Es ist auch, u.a., unter diesem Gesichtspunkt, unter dem die vorgelegten Vorschläge zu bewerten sind, insofern das Zertifizierungs- und Qualitätssystem eine wesentliche Rolle beim öffentlichen Auftragswesen spielen dürfte.
Die nun von Landwirtschaftsminister Schneider vorgelegten Vorschläge berücksichtigen wohl einige der zuvor getätigten Kritiken. So wird vom ursprünglich geplanten Sternesystem abgesehen, was sicherlich zu begrüßen ist. Es war dies gerade einer der wesentlichsten Kritikpunkte, weil damit eine auf ideologischen und politischen begründeten Kriterien basierende Hierarchisierung der Lebensmittel eingeführt worden wäre, die unberechtigterweise gerade den Hauptproduktionen der hiesigen Landwirtschaft benachteiligt hätte.
Im vorliegenden Gesetzesprojekt wird die Einteilung der Kriterien in die Kategorien „Qualität/Geschmack“, „Regionalität/Fair“ und Umwelt/Tierwohl“ beibehalten, wobei das Produkt je ein Kriterium erfüllen muss, um am Qualitätssystem teilzunehmen. Dass dies nicht nach dem Geschmack der Ökolobby ist, mag sein. Allerdings sind die von ihr geäußerten Kritiken nicht nur in vielerlei Hinsicht unzutreffend; vor allem werden dabei einmal mehr die bereits heute von der hiesigen Landwirtschaft erbrachten weitreichenden Leistungen in Bezug auf Qualität, Umwelt- und Klimaschutz wissentlich übergangen; auch lösen sie in keiner Weise die grundsätzlichen Probleme.
Mit dem vorliegenden Gesetzesprojekt stellen sich nämlich weiterhin eine Reihe von wichtigen Fragen, die mit gravierenden Auswirkungen für die hiesige Landwirtschaft einhergehen können. Besonders problematisch gestaltet sich die Definition des Begriffs „Region“ und damit des Begriffs „regionales Produkt“. Dies ist umso relevanter, als das Leitmotiv von Landwirtschaftsminister Schneider letztlich ist, die regionalen, saisonalen und bio Produkte besonders zu fördern.
Der Begriff „Region“ ist gesetzlich nicht geschützt und eine offizielle, anerkannte Definition gibt es nicht, was hier und da dazu führt, die „Region“ unterschiedlich zu definieren, als ein Umkreis von 30, 50, 100 oder mehr Kilometer. Außer den strengen Vorgaben bei den Ursprungs- bzw. Herkunftsbezeichnungen, ist auch nicht offiziell festgelegt, was „regionale Produkte“ sind. Aus diesem Grund hatte der Staatsrat bereits in seiner Stellungnahme zum ersten Gesetzesprojekt die Idee der Großregion verworfen.
In der Antwort auf eine rezente parlamentarische Anfrage zu diesem Thema, bestätigte Landwirtschaftsminister Schneider nochmals, dass es keine Definition der Begriffe „regional“ und „lokal“ gebe. Es handele sich eher um subjektive, je nach Zweck angedachte Einschätzungen, so der Minister, der weiter meinte, dass es angesichts der Größe des Landes nicht unbedingt Sinn mache, einen Unterschied zwischen den Begriffen lokal, regional und national zu machen.
In der Gesetzesvorlage zum Zertifizierungs- und Qualitätssystem gilt nun als „Region“ ein Umkreis von 250 km vom Sitz der Erzeugergemeinschaft, die das Zertifizierungs- bzw. Qualitätssystem beantragt.
Und hierbei soll es nicht nur um einen Umkreis von 250 km von Luxemburg aus gerechnet gehen – irgendwo zwischen Brüssel, Köln, Venlo und Reims – was doch schon ein sehr großes Gebiet darstellt und allgemein, zumindest subjektiv, vom Bürger und Verbraucher nicht mehr als regionales Produkt wahrgenommen wird, zumal nicht einmal mehr eine Verbindung zum nationalen Territorium vorausgesetzt wird. Es geht um noch mehr!
Entsprechend den Erklärungen von Seiten der landwirtschaftlichen Verwaltung kann der Sitz der Erzeugergemeinschaft sich irgendwo in der EU befinden – Schinken oder Tomaten, die in ihrem Ursprungsland als „regionales“ Produkt gelten und von einer Erzeugergemeinschaft auf den Markt gebracht werden, könnten, um nur ein Beispiel zu nennen, aus dem Süden Portugals oder Spaniens nach Luxemburg gebracht werden und – wohl ohne staatliche Bezuschussung – die Zertifizierung des Luxemburger Staates beantragen und sich mit dem Stempel des Luxemburger Staates präsentieren!!
Von Seiten des Landwirtschaftsministeriums wird auf die EU-Gesetzgebung verwiesen. Darin heißt es, dass „von regionalen oder nationalen Behörden unterstützte Zertifizierungssysteme (…) nicht zu Einschränkungen basierend auf der nationalen Herkunft der Erzeuger führen oder den Binnenmarkt in anderer Weise behindern“ dürfen. Ebenso ist die Bevorzugung von regionalen Produkten in Ausschreibungen nicht zulässig, weil damit der grenzüberschreitende Warenverkehr im EU-Binnenmarkt behindert würde.
Es genügt aber nun nicht, sich hinter diesen Bestimmungen zu verschanzen. Vielmehr ist das Landwirtschaftsministerium gefordert, ein System auszuarbeiten, welches die Interessen der hiesigen Landwirtschaft voranbringt und ihr tatsächlich zum Vorteil gereicht, einschließlich in Bezug auf den Zugang zur öffentlichen Restauration. Das System muss so gestaltet sein, dass mit der Zertifizierung eine starke Verbindung mit der hiesigen Landwirtschaft erhalten bleibt.
Der Konsument verbindet, wie erwähnt, Regionalität mit seiner Umgebung, seiner Gemeinde oder seinem Land, nicht aber mit dem europäischen Binnenmarkt oder einer Region in Portugal, Polen, Estland oder Irland, … . Das Risiko einer Irreführung des Konsumenten ist umso größer, als das im Gesetzesprojekt vorgesehene Logo direkt an Luxemburg denken lässt – die geplante Kennzeichnung beinhaltet das Logo, welches die hiesige Regierung, im Rahmen des Nation-Branding-Prozesses, 2016 eingeführt hat, um dem Land eine visuelle Identität, sozusagen als „Unterschrift“ des Großherzogtums, zu geben. Dazu heißt es in einer Mitteilung der EU-Kommission, dass nationale Symbole oder die Farben einer Flagge aus Sicht der Verbraucher „wichtige Hinweise auf die Herkunft eines Produktes“ sind. In anderen Worten, mit Anbringung des Logos wird der Verbraucher klar dazu verleitet, zu glauben, das Produkt, egal ob aus Biolandwirtschaft oder konventioneller Landwirtschaft, stamme aus Luxemburg.
Wesentliche Fragen stellen sich auch in Bezug auf die Integration des „Marque Nationale“-Labels in dieses System. Darauf wird zurückzukommen sein, ebenso wie auf andere Aspekte, u.a. die vorprogrammierte Vervielfältigung der Labels: Das angedachte System dürfte nämlich die Anzahl der derzeit bestehenden Labels nicht wie angestrebt mindern, sondern eher zur Schaffung von noch zusätzlichen Labels führen.
Absolut vorrangiges Anliegen bei der Einführung eines Zertifizierungs- und Qualitätssystems muss es sein, einen klaren Mehrwert für die hiesige Landwirtschaft zu schaffen. Es drängt sich jedenfalls auf, das vorliegende Gesetzesprojekt unter diesem Gesichtspunkt eingehend zu überprüfen und anzupassen.