Biodiversitätsstrategie und Farm to Fork-Strategie: zu einseitig, um nachhaltig zu sein

Am vorgestrigen Mittwoch hat die EU-Kommission zwei für die Landwirtschaft besonders wichtige Mitteilungen vorgestellt: Die Biodiversitätsstrategie und die Strategie „Vom Hof auf den Tisch“. Beide sind Teil des Green Deals, der als erste Priorität der derzeitigen Kommission gilt.

Mit der Biodiversitätsstrategie soll dem Artenverlust entgegengewirkt werden, mit der Strategie „Vom Hof auf den Tisch“ ein faires, gesundes und umweltfreundliches Lebensmittelsystem erreicht werden. Beide Strategien betreffen wohl nicht nur die Landwirtschaft, sind allerdings extrem auf die Landwirtschaft fokussiert und gehen mit sehr einschneidenden Konsequenzen für sie einher.

Zunächst lesen sich diese Mitteilungen wie eine Art Anklageschrift: Die Landwirtschaft und die Lebensmittelproduktion seien für 29% der weltweiten Treibhausgasemissionen verantwortlich, 68% der Flächen in der EU würden für die Tierhaltung genutzt. Etwas weiter heißt es dann, die europäische Landwirtschaft stehe für 10,3% der Treibhausgase – davon würden 70% auf die Viehhaltung entfallen, weshalb auch zu weniger Fleischkonsum aufgerufen wird. Förderkampagnen für Fleisch sollen untersagt werden, gekoppelten Beihilfen würden auf ihre Berechtigung überprüft. In Bezug auf die Biodiversitätsverluste lesen die Aussagen der Kommission sich in ähnlicher Weise…. All dies liefert Nährboden für die von der Ökolobby gegen die Landwirtschaft und die Gemeinsame Agrarpolitik geführten Kampagnen. Dass dabei die vielen von der Landwirtschaft erbrachten Umwelt- und Klimaleistungen ignoriert werden, auch die vielen ihr bereits auferlegten Bewirtschaftungsauflagen und -restriktionen, wird in Ökokreisen, auch hierzulande, wissentlich ignoriert und bereits jetzt werden Forderungen nach noch weitreichenderen Auflagen und Verboten formuliert. Auch die essentielle Rolle der Landwirtschaft in der Lebensmittelversorgung kümmert in Ökokreisen wenig – diese wird zumindest in den Kommissionsdokumenten hervorgehoben, Dabei wird betont, dass gerade die Covid-19 Pandemie gezeigt habe, dass es nachhaltiger und robuster Lebensmittelsysteme bedürfe, die in der Lage sind, die Lebensmittelversorgung auch in schwierigen Zeiten zu gewährleisten, gleichzeitig zu den Zielen des Green Deals beizutragen.

Die markantesten Elemente der beiden Strategien wurden bereits an dieser Stelle erwähnt. Dazu gehören, jeweils bis 2030, die Ausweisung von mindestens 30% der Land- und Meeresgebiete als Schutzgebiete, die Bestellung von mindestens 10% der landwirtschaftlichen Nutzfläche mit Landschaftselementen, die Reduzierung des Einsatzes und des Risikos von Pflanzenschutzmitteln um 50%, die Reduzierung des Einsatzes von Düngemitteln um mindestens 20%, die Steigerung der ökologisch bewirtschafteten Flächen auf 25%. Vorgesehen sind des Weiteren eine Verringerung des Verkaufs von antimikrobiellen Mitteln für Nutztiere und Aquakultur um 50%, die Schaffung einer Beobachtungsstelle für Lebensmittelsicherheit ebenso wie die Ausarbeitung eines Notfallplans zur Gewährleistung der Versorgungssicherheit im Krisenfall. Weitere geplante Maßnahmen betreffen die Förderung einer gesünderen und nachhaltigeren Ernährung und wenden sich an die Lebensmittelindustrie. Dabei wird für die Einführung eines einheitlichen Kennzeichnungssystems über Inhaltsstoffe und Nährwert der Lebensmittel plädiert. Daneben geht es um die Reduzierung der Lebensmittelabfälle bzw. um Maßnahmen gegen Lebensmittelbetrug. Schließlich wird betont, dass sowohl die Biodiversitätsstrategie als auch die Strategie „Vom Hof auf den Tisch“ ihren Niederschlag in der künftigen GAP und den nationalen Strategischen Plänen finden müssen.

Viele dieser Elemente werden sehr einschneidende Auswirkungen auf die Landwirtschaft und insgesamt die Lebensmittelerzeugung haben. Mehr als fraglich bleibt, welchen Stellenwert die wenig positiven Elemente in der Mitteilung in Bezug auf die Förderung neuer Züchtungsmethoden, die Beimischung von Zusatzstoffen zur Reduzierung der Umweltbelastungen in der Tierzucht, die Förderung neuer Techniken oder aber die Erforschung neuer, weniger umweltbelastender Pflanzenschutzmittel letztlich haben werden.

Die Landwirtschaft – dies wurde bereits oftmals betont – erbringt bereits heute viele und extrem wertvolle Umwelt- und Klimaleistungen und ist zu zusätzlichen Leistungen unter fairen Bedingungen bereit. Sie kommt jedoch nicht umhin, die vorgelegten Mitteilungen sehr kritisch zu bewerten, und dies in vielerlei Hinsicht.

Zunächst sind diese Mitteilungen sehr unausgewogen; sie zeugen nicht nur von einem eher planwirtschaftlichen Vorgehen der Kommission; vor allem werden sie den Kriterien der Nachhaltigkeit in keiner Weise gerecht, insofern quasi nur die ökologischen Aspekte betrachtet werden. Wirtschaftliche Aspekte, ökonomische Nachhaltigkeit, auch die wirtschaftlichen Auswirkungen der Maßnahmen auf die landwirtschaftlichen Betriebe werden nicht erwähnt; ebenso kommt die soziale Komponente klar zu kurz.

Während die Strategie „Vom Hof auf den Tisch“ als agrarpolitischer Teil des Green Deal angekündigt worden war, steht auch bei der Biodiversitätsstrategie fast ausschließlich die Landwirtschaft im Fokus. Gewusst ist jedoch, dass Wirtschaftsexpansion, Städtebau, Infrastrukturen bzw. die allgemeine Lebensweise zu sehr hohen Biodiversitätsverlusten mit Zerstörung der natürlichen Lebensräume führen.

Grundsätzlich stellt sich auch die Frage, ob mit den geplanten Restriktionen und Verboten überhaupt noch die Lebensmittelversorgung gesichert werden kann, eine Frage, die umso relevanter ist, als es in den Kommissionsdokumenten heißt, bis 2050 müsse die Lebensmittelverfügbarkeit um 50% gesteigert werden. Es mag gut klingen, den Einsatz von Pflanzenschutzmitteln in den nächsten Jahren halbieren zu wollen. Dabei ist aber gewusst, und dies wird sogar implizit von Kommissionsseite anerkannt, dass Pflanzenschutz unverzichtbar ist, auch im Biolandbau. Gerade deshalb ist Forschung dringendst notwendig, um weniger belastende Produkte zu wirtschaftlich tragbaren Preisen zur Verfügung zu stellen. Diesbezüglich darf die Kommission sich jedenfalls nicht mit einem gutklingenden Statement begnügen.

Auch wenn es um die anvisierte Reduzierung der Düngung geht, ist Vorsicht geboten. Solche Verbote dürfen nicht der guten landwirtschaftlichen Praxis zuwiderlaufen, die Bodenfruchtbarkeit schmälern und damit letztlich die Lebensmittelversorgung hypothekieren.

Europa soll weltweit die klimafreundlichste Wirtschaft werden – nicht angesprochen werden allerdings die Handelspolitik der EU bzw. die Importe von Lebensmitteln aus Drittstaaten, die bei weitem nicht die gleichen hohen Produktions- und Umweltstandards wie die EU kennen.

Die beiden am Mittwoch vorgestellten Strategien werden die Landwirtschaft in den kommenden Monaten intensiv beschäftigen. Es dürften für die Landwirtschaft schwierige Diskussionen werden, auf nationaler wie auch auf europäischer Ebene. Zuständig auf Kommissionsebene für den Green Deal ist Kommissionsvizepräsident Timmermans, zuständig für die Biodiversitätsstrategie ist der Umweltkommissar, zuständig für die Strategie „Vom Hof auf den Tisch“ die Gesundheitskommissarin. Bleibt letztlich die Frage, welchen Part der Agrarkommissar bzw. die Landwirtschaftsminister einnehmen werden.

Leitartikel

„De Letzeburger Bauer“ am 22.05.2020