Man stelle sich vor, es hätte auch noch keine Lebensmittel mehr gegeben…

Diesen Satz haben wir aus einer Diskussion um die Covid-19 Pandemie und die damit ausgelöste, bislang beispiellose Wirtschaftskrise herausgegriffen. Wohl kaum einer mag sich vorstellen, was geschehen wäre, hätte bei der Versorgung der Bevölkerung mit Lebensmitteln die gleiche Knappheit wie bei medizinischem Material zu Anfang der Pandemie vorgeherrscht. Die Konsequenzen – politisch, wirtschaftlich und sozial – wären extrem gewesen.

Wie wichtig, ja unverzichtbar eine gesicherte Lebensmittelversorgung überhaupt ist, wie unverzichtbar dabei auch eine lokale Erzeugung ist, wurde sicherlich vielen Menschen, auch politisch Verantwortlichen aller Couleurs, gerade erst in den letzten Wochen bewusst. Dabei sei mit Nachdruck betont, dass auch die hiesige Landwirtschaft für Versorgungssicherheit bei den Grundlebensmitteln, dies mit hochwertigen, lokal erzeugten Produkten, steht.

Die unverzichtbare Rolle der Landwirtschaft wurde denn auch richtigerweise in dieser Coronakrise vielfach hervorgehoben. Erinnern wir an die Aussage von Großherzog Henri gegenüber dem Präsidenten der Landwirtschaftskammer, die wiederholten Aussagen von Landwirtschaftsminister Schneider zur Landwirtschaft und den agroalimentären Verarbeitungsunternehmen oder die Aussage von Justizministerin Tanson, die ebenfalls in ihrem Statement letzten Samstag die Wichtigkeit der lokalen Lebensmittelerzeugung betonte.

Belobigende Worte allein genügen jedoch nicht!

Auf die alarmierende Situation auf den Agrarmärkten wurde bereits verwiesen. Die Stützungsmaßnahmen, die auf EU-Ebene unter der Form von Beihilfen für die Private Lagerhaltung in die Wege geleitet wurden, können sicherlich als erste Schritte in die richtige Richtung bewertet werden. Sie reichen aber wie weitem nicht aus, um den sich abzeichnenden Verwerfungen mit drastischem Verfall der Erzeugerpreise entgegenzuwirken. Darüber hinaus bleibt die Lage in etlichen Sektoren besonders prekär. Die Kommission und die Mitgliedstaaten stehen jedenfalls in der Verantwortung, weitere Maßnahmen in die Wege zu leiten, um die wirtschaftlichen Folgen abzufedern, damit auch den Fortbestand der Betriebe zu sichern. Ebenso müssen sie einen stabilen und ausreichenden Agrarhaushalt bereitstellen, der den Anforderungen an die Landwirtschaft gerecht wird.

Allerdings steht auch die hiesige Regierung in der Pflicht, auf nationaler Ebene ihren belobigenden Worten konkrete Maßnahmen folgen zu lassen.

Die anstehende Anpassung des Agrargesetzes bietet hierbei eine Gelegenheit, um tatsächlich die Wertschätzung der Landwirtschaft zu untermauern. Die sich hier auftuenden Handlungsmöglichkeiten, um den Agrarsektor insgesamt sowie die einzelnen Betriebe bzw. agroalimentären Unternehmen zu stärken, sind vielfältig. Dazu zählen u.a. die Anhebung der Förderplafonds bei Investierungen, die Anhebung der Fördersätze auf den maximal auf EU-Ebene zulässigen Prozentsatz von 50% oder aber die Ausweitung der förderfähigen Investitionen. Dazu gehört auch, dass die Bedingungen so gestaltet werden, dass sie den Realitäten der Betriebe bestmöglich entsprechen. Die einschlägigen Forderungen wurden bereits an dieser Stelle präsentiert und dem Landwirtschaftsminister unterbreitet.

Wesentliche Verbesserungen drängen sich auch im Bereich neuer, zusätzlicher oder bislang defizitärer Produktionen auf. Die diesbezüglichen Probleme ebenso wie die beruflichen Forderungen sind hinlänglich bekannt, auch auf Regierungsebene. Paradebeispiel ist diesbezüglich der Obst- und Gemüsebereich einschließlich des Kartoffelanbaus, wo es darum gehen muss, die Produktion selbst sowie ebenfalls die Wertschöpfungskette zu stärken. Nicht später als letzte Woche haben die Akteure des Sektors nochmals Premier Bettel mit dem Problem insbesondere des Zugangs zum dringend benötigten Wasser und des Wasserpreises befasst. Es sind dies Probleme, die bereits vielfach diskutiert wurden, zu denen sogar bereits ein sogenannter Wassertisch einberufen worden war. Eine reale Hilfestellung von Seiten der Regierung ist jedoch bislang keine erfolgt, im Gegenteil. Anstatt neue, alternative Produktionen stärker zu unterstützen, tendiert man dazu, Stolpersteine einzubauen. Geht es darum, zum Beispiel Wasserrückhaltebecken einzurichten, zieren die zuständigen Stellen sich, die erforderlichen Genehmigungen auszustellen.

Ein weiterer Bereich, wo die politisch Verantwortlichen ihre kundgetane Wertschätzung des hiesigen Agrarsektors bestens untermauern könnten, ist und bleibt die Förderung des Absatzes der Produkte aus der hiesigen Landwirtschaft in der öffentlichen Restauration. Allerdings wird sich auch hier, unter dem Vorwand europäischer Reglementierungen, vorzugshalber in komplizierte, kaum nachvollziehbare und teilweise völlig unangemessene reglementarische Bestimmungen geflüchtet, anstatt einfache und für den hiesigen Agrarsektor nutzbringende Ansätze zu verfolgen.

Und letztlich dürfen die Diskussionen um die Förderung der hiesigen Lebensmittelerzeugung nicht einseitig in Richtung biologischer Landwirtschaft geführt werden. Sicherlich soll diese unterstützt werden, jedoch nicht auf Kosten und zu Lasten der konventionellen Landwirtschaft.  Vielmehr gilt es, beide Produktionsweisen und deren Erzeugnisse gleichermaßen zu fördern. 

Bei den Diskussionen um die künftigen Orientierungen der Landwirtschaft und der Lebensmittelerzeugung muss allemal mit Weitsicht und Vorsicht vorgegangen werden. Denn, ebenso wie es sich auf der einen Seite aufdrängt, den Wirtschaftsliberalismus grundsätzlich zu überdenken und dem Klimaschutz den notwendigen Platz einzuräumen, gilt es auf der anderen Seite, zu verhindern, dass politische Strategien oder aber ideologisch geprägtes Gedankengut  letztlich doch noch die lokale, regionale Lebensmittelversorgung in Gefahr bringen.

Leitartikel

“De Letzeburger Bauer” am 30.04.2020