Europa bzw. die Welt erlebt derzeit eine noch nie dagewesene Gesundheits- und damit einhergehende Wirtschaftskrise, der auch mit noch nie dagewesenen Maßnahmen begegnet werden muss. In dem Sinn ist es zu begrüßen, dass die allgemeine Ausweichklausel des europäischen Stabilitäts- und Wachstumspakts aktiviert wurde, dass auch alle Staaten sich zu weitreichenden Hilfsprogrammen bereit erklärt haben.
Auch die hiesige Regierung hat am vorgestrigen Mittwoch einen sehr umfassenden Stabilisierungsplan mit Maßnahmen in Höhe von 9 Milliarden Euro präsentiert, um so die hiesige Wirtschaft, die viele Tausende Klein- und Mittelunternehmen, auch die Selbstständigen zu unterstützen. Bereits vergangene Woche war ein erstes Hilfspaket vorgestellt worden, mit u.a. dem Elternurlaub sowie den Maßnahmen im Steuer- und Sozialabgabebereich. Spezifische Maßnahmen für die Landwirtschaft wurden hierbei nicht aufgeführt, jedoch gilt die eine oder andere Maßnahme auch für die landwirtschaftlichen, wein- und gartenbaulichen Betriebe.
Sicherlich ist die Lage derzeit im Agrarsektor nicht so bedrohlich wie in anderen Wirtschaftsbereichen. Dennoch sind auch die Landwirtschaft und die Lebensmittelkette quer durch Europa mit einer zunehmend schwierigen Situation konfrontiert. Die Ausbreitung der Pandemie verursacht bereits jetzt in manchen ländlichen Gebieten unmittelbare, aber auch mittelund langfristige schwerwiegende Folgen.
Sorgen bereitet dem europäischen Agrarsektor verständlicherweise, dass diese Krise zu weitreichenden Marktverwerfungen führt, dass dabei vor allem sowohl der Binnenmarkt als auch internationale Märkte hinsichtlich Lieferketten, Arbeitsplätzen und letztendlich der Ernährungssicherheit in der EU gefährdet werden. Fakt ist, dass sich bereits jetzt erste Marktstörungen bzw. Marktverwerfungen mit großer Preisvolatilität andeuten, bedingt durch den ins Stocken geratenen Welthandel und logistische Probleme infolge ungenügender Container- und Lagerkapazitäten. Aber auch die nun praktisch europaweit verfügten Bewegungseinschränkungen der Bevölkerung, die Schließung der Schulen, der Restaurants und vieler Unternehmen haben unweigerlich Auswirkungen auf den Absatz von Lebensmitteln, zumal die Außerhaus-Verpflegung, die einen sehr gewichtigen Anteil im Konsum hat, damit praktisch weggebrochen ist.
Umso dringender ist es, dass auf politischer Ebene sowohl von der EU-Kommission als auch von den Mitgliedstaaten alle notwendigen Maßnahmen ergriffen werden, um die Märkte möglichst zu stabilisieren und das reibungslose Funktionieren des Binnenmarktes zu garantieren. Nur so kann die Versorgung der Verbraucher mit Lebensmitteln garantiert werden. Es ist dies eine der zentralen Botschaften, die die europäische Landwirtschaft an die EU-Kommission und an die EU-Agrarminister im Vorfeld von deren informellen Videokonferenz am vorgestrigen Mittwoch gerichtet hat.
Die Konferenz der Agrarminister war kurzfristig angesetzt worden, um die Folgen der Corona-Pandemie für die Landwirtschaft zu analysieren. Schwerpunktthemen dabei waren die Funktionsweise der Lieferketten und die Verfügbarkeit von Saisonarbeitskräften.
Richtig und wichtig ist denn auch, dass die Agrarminister sich neben den bereits bestehenden Kriseninstrumenten auf weitere Maßnahmen geeinigt haben. Dazu gehört insbesondere die mögliche Gewährung nationaler Beihilfen, sowohl für die landwirtschaftlichen Betriebe als auch die Verarbeitungsunternehmen. Die EU-Kommission gestattet dabei, dass den Unternehmen im Bereich der Verarbeitung bis zu achthunderttausend Euro und landwirtschaftlichen Betrieben im Extremfall nationale Beihilfen bis zu hunderttausend Euro gewährt werden. Besonders wichtig ist ebenfalls, dass die Agrarminister sich darauf einigten, bei den diesjährigen Vor-Ort-Kontrollen Augenmaß und Vernunft, verbunden mit der Vereinfachung der Prozeduren, walten zu lassen. Erwogen wurde ebenfalls die vorgezogene Auszahlung der Direktzahlungen. Eine besondere Aufmerksamkeit soll der Entwicklung auf den Märkten zukommen, um rechtzeitig weitere notwendige Maßnahmen in die Wege zu leiten. Die EU-Kommission kündigte an, Leitlinien für den Umgang mit Saisonarbeitskräften vorzulegen. Es ist dies eine Problematik, die auch hierzulande für den Weinbau, aber auch für Spezialkulturen in der Landwirtschaft von großer Relevanz ist und wo eine gangbare Lösung dringend notwendig wäre. In dem Sinn hat auch die Landwirtschaftskammer Minister Schneider mit der Problematik befasst.
Die essenzielle Bedeutung der Lebensmittelversorgung wird wiederholt in den verschiedenen politischen Statements auf allen Ebenen unterstrichen, und das ist auch richtig. Die landwirtschaftlichen Betriebe und die Verarbeitungsunternehmen erfüllen, nicht nur in der derzeitigen Krise, eine unersetzliche Rolle in der Versorgung der Bevölkerung mit ausreichenden und qualitative hochwertigen Lebensmitteln. Umso wichtiger ist es, dass alles in die Wege geleitet wird, auch hierzulande, damit den Betrieben des Sektors bei veränderten Marktbedingungen unverzüglich die notwendigen Stützungsmassnahmen zukommen. Die hiesige Regierung steht jedenfalls diesbezüglich in der Pflicht.
Leitartikel
“De Letzeburger Bauer” am 27.03.2020