Innovativ und dynamisch ins nächste Jahrhundert
Am Mittwoch dem 26. Juni wurde in Grevenmacher das 100jährige Bestehen des „Lëtzebuerger Wënzerverbands“ offiziell begangen. Gleichzeitig wurde der neue Regionalladen „100% Luxembourg“ offiziell seiner Bestimmung übergeben. Vier Minister und viele weitere Ehrengäste gaben sich die Ehre und wohnten der Zeremonie in den Räumlichkeiten des neuen Regionalladens im Zentrum von Grevenmacher bei. Musikalisch umrahmt wurde die Feier von der Musikgruppe Serge Tonnar & Legotrip.
Der 1911 als allgemeine Interessenvertretung für die Winzerbelange aus der Taufe gehobene Wënzerverband hat seit 2003 eine wichtige neue Mission. Er fungiert als Chef de file im Leadergebiet Miselerland und als solcher ist er auch verantwortlich für die Konzipierung des neuen Regionalladenkonzepts 100% Luxembourg, das nun landesweit nachgeahmt wird.
Die Ehrengäste wurden von Vizepräsident Aly Leonardy begrüßt, der auch gleichzeitig Vizepräsident der Organisation der europäischen Weinbauregionen (AREV) ist. Anschließend richtete Bürgermeister Léon Gloden das Wort an die Jubilare. Der Winzerverband habe wesentlich dazu beigetragen, daß die Qualität der Weine und das Know-how der Winzer sich auf das heutige Toplevel gesteigert haben, so der Bürgermeister. Des weiteren lobte der Deputé-maire, daß der Winzerverband schon sehr früh das Potential der Großregion erkannt habe und sich nicht mit dem heimischen Absatzmarkt allein zufriedengeben wollte. Immer wieder habe der Verband neue Aufgaben übernommen und geradezu Pionierarbeit geleistet. Der Bürgermeister machte schließlich auf den neuen Regionalbuttik aufmerksam, der zur Identifikation von Grevenmacher als Weinort und Moselmetropole beitrage.
Der Präsident des Lëtzebuerger Wënzerverbands, Marc Weyer, ging in seiner Ansprache auf die schwierige Phase der Winzer-Interessenvertretung Ende der 90er Jahre ein. Damals entfiel nach dem Beschluß, eine professionelle Weinwerbungskommission ins Leben zu rufen, eine bis dahin sehr wichtige Mission des Winzerverbands. Die Rettung kam in Gestalt von Jean-Pierre Dichter, dem ehemaligen „Mister Leader“ in Luxemburg, der einen Partner für eine neue Leaderregion an der Luxemburger Mosel suchte, und beim Winzerverband fündig wurde. So kam es, daß der Winzerverband zum neuen Chef de file im Leadergebiet „Lëtzebuerger Musel“ wurde, das später in Leader „Miselerland“ umgetauft wurde. Der einst als reine Winzer-Interessenvertretung fungierende Verband nahm damit neue Aufgaben wahr. Marc Weyer merkte hierzu an: „Es ist wichtig, daß wir als Weinbauvertreter nahe an der Gesellschaft dran sind.“ Er machte in diesem Kontext auf den Strukturwandel im Weinbau aufmerksam, der dazu führt, daß die Winzer überall in der Minderheit sind. Außerdem verwies er auf die Tatsache, daß der Weinbau Allianzen und Partner braucht, um sich künftig weiterentwickeln und international in einem schwierigen Umfeld bestehen zu können. Das heimische Weinbaugebiet mit seinem Potential von 135.000 hl bezeichnete er als „Mückenschiß auf der Weltweinbaukarte“.
Marc Weyer erwähnte des weiteren, daß die Luxemburger Weltmeister im Pro-Kopf-Verbrauch von Wein sind. Vom jährlichen Durchschnittskonsum von 52 Litern entfielen jedoch nur 15 Liter auf heimischen Wein, gab er zu bedenken. Er machte diesbezüglich auf Veränderungen in der Bevölkerungsstruktur und im Konsum aufmerksam und betonte die Wichtigkeit gesellschaftlicher Akzeptanz. In diesem Kontext nannte er Natur- und Umweltschutz, Rückverfolgbarkeit, Nachhaltigkeit, strenge Regeln bei der Vinifikation und strenge Kontrollsysteme, kurze Transportwege sowie Erhaltung der einmaligen Kulturlandschaft. Marc Weyer machte deutlich, daß man sich noch mehr Gedanken machen sollte, wie man auf die Gesellschaft einwirken könne, zum Beispiel mit sozialen und kulturellen Aktionen. Beim Önotourismus sei man auf dem richtigen Weg, aber es bleibe noch vieles zu tun. Der Präsident zeigte sich überzeugt, daß die regionale Entwicklung künftig noch weiter an Bedeutung zunehmen und einen substantiellen Anteil an der Interessenvertretung der Winzer ausmachen wird. Auch in der Großregion müsse man sich zusammentun und mit Terroir Moselle sei man auf dem richtigen Weg, um sich auf internationalem Niveau bemerkbar zu machen.
Marc Weyer stellte im Anschluß einige Dinge seines Verbands teilweise in Frage: Er fragte, ob es Sinn mache, bei der reinen Winzer-Genossenschaft zu bleiben, oder ob man nicht lieber offen sein sollte in puncto Mitgliedschaften. Des weiteren stellte er die Frage, ob die einst vor rund 90 Jahren vom Staat zur Verfügung gestellten Musterweinberge ein Zukunftsmodell sind.
Schließlich kam der Präsident auf Leader Miselerland und 100% Luxembourg zu sprechen. Er hob hervor, daß auch 100% Luxembourg genossenschaftlich organisiert ist und somit nicht reines Profitdenken, sondern der Solidargedanke vorherrschend ist. Mit dem neuen Regionalbuttik habe der Winzerverband der Region und dem Land ein Geschenk machen wollen. Er erwähnte, daß die neue Verkaufseinrichtung zum einen über den Landwirtschaftsminister, zum anderen über den Beschäftigungsminister gefördert wird.
Marc Weyer bedankte sich schließlich bei der Gemeinde Grevenmacher den zuständigen staatlichen Verwaltungen. Er wies auf die Festbroschüre mit dem Titel „100 Joer Qualitéit – Wënzerverband Grand Premier Cru“ hin, die textlich von Christian Mosar ausgearbeitet wurde.
Im Anschluß kamen die vier anwesenden Minister zu Wort. Den Anfang machte Weinbauminister Romain Schneider, der der aktuellen Mannschaft des Winzerverbands viel Glück bei ihrer neuen Aufgabe wünschte. Der Weinbauminister lobte den Winzerverband für die historischen Erfolge als berufliche Interessenvertretung. Dieser habe bereits zu einem frühen Zeitpunkt bei Produktion, Verarbeitung und Marketing für eine Förderung des Berufsstandes und des Weinabsatzes gesorgt. An der Mosel habe man mit Wein und Crémant eines der besten Produkte des Landes, schwärmte der Minister, der die auch international anerkannte Topqualität der heimischen Weine lobte. Das hervorragende Produkt auf der einen, der Weintourismus sowie Kultur und Sport auf der anderen Seite müßten zusammengebracht werden, um den Luxemburger Wein bekannter zu machen, die vorhandenen Märkte zu sichern und neue hinzuzugewinnen, zeigte sich Romain Schneider überzeugt.
Der Minister lobte auch den neuen Ansatz der Absatzförderung von qualitativ hochwertigen Regionalprodukten: „Ihr habt richtig gehandelt, indem ihr immer mehr lokale und regionale Produkte in den Mittelpunkt stellt“. Ein weiteres Lob bezog sich auf die Solidarität in Sachen Beschäftigung. Mittelfristiges Ziel sei letztlich die Schaffung von festen Arbeitsplätze in etablierten Strukturen. Romain Schneider prophezeite dem Winzerverband schließlich eine rosige, innovative, dynamische Zukunft und sagte dem Winzerverband bzw. Leader Miselerland seine Unterstützung beim Fortführen wichtiger Pilotprojekte in der nächsten Förderperiode zu.
Beschäftigungsminister Nicolas Schmit war ebenfalls voll des Lobes für die Regionalbuttik-Initiative des Winzerverbands. Man versuche damit, im regionalen Rahmen lokal Arbeitsplätze zu schaffen, und zwar besonders für Menschen, die es auf dem Arbeitsmarkt schwer haben. Die Wichtigkeit der Zusammenarbeit verschiedenster Stellen habe sich an diesem Beispiel gezeigt, betonte der Minister für Beschäftigung. Er machte deutlich, daß der soziale Gedanken schon in der Geschichte des Winzerverbands verankert ist. Es sei wichtig, daß man diese Aktion 100% Luxembourg richtig „ins Rollen bringe“, so der Minister weiter. Nicolas Schmit machte darüber hinaus deutlich, daß im Rahmen von Leader weitere Aktionen gefördert werden, „die uns weiterbringen“. Er nannte u.a. die Integrationsbeiträge von Leader Miselerland. Der Beschäftigungsminister versicherte, daß man an der Mosel auch weiterhin mit der Unterstützung seines Hauses rechnen kann und wünschte den Initiatoren von 100% Luxembourg viel Erfolg.
Kulturministerin Octavie Modert hob hervor, daß in der neuen Einrichtung Kultur und Vitikultur ineinandergreifen. Man stehe in einer Zeit, wo an der Luxemburger Mosel vieles in Bewegung sei und man müsse sehen, daß „wir dies in die richtige Richtung bewegen“, so die Ministerin. Als Beispiel nannte sie die Veranstaltung WalkTasteEnjoy, wo erstmals in einer konzertierten Aktion sämtliche Keller an der Luxemburger Mosel für Besucher geöffnet waren. Sie stellte die Bedeutung des genossenschaftlichen Solidaritätsdenkens an der Luxemburger Mosel heraus und machte klar, daß das Zusammenarbeiten und Zusammenstehen auch künftig gebraucht werde, um eine „Region im Aufbruch“ sein zu können und voranzukommen. Es sei aber auch Solidarität mit der Mosel nötig, damit mehr Wein aus heimischer Erzeugung getrunken werde, betonte die Kulturministerin.
Schließlich war es an Mittelstandsministerin Françoise Hetto-Gaasch, die ihrerseits dem Wënzerverband sowie ihrer Initiative 100% Luxembourg ihre Glückwünsche überbrachte. Endlich habe man ein Schaufenster für regionale Qualitätsprodukte aus Luxemburg geschaffen. Sie kündigte an, daß auch in Luxemburg-Stadt, dem bedeutendsten Tourismusmagneten des Landes, ein solcher Regionalladen geschaffen wird.
Die Feier fand im Freien einen würdigen Abschluß. Zum Ehrenwein wurden Speisen aus regionaler Erzeugung gereicht.
Bewegte Geschichte des Lëtzebuerger Wënzerverbands
Der Luxemburger Winzerverband wurde vor mehr als 100 Jahren in einer Zeit geboren, in der die Probleme der Winzerschaft unvergleichlich größer waren als heute.
Seit der Anbindung an den Deutschen Zollverein im Jahre 1842 war die Anbaufläche von 500 Hektar auf 1.500 Hektar im Jahre 1913 angewachsen, wobei fast die gesamte Produktion, die größtenteils aus Elbling bestand, exportiert wurde. Bedingt durch schlechte klimatische Bedingungen und die verheerende Verbreitung der Reblaus wurden zwischen 1905 und 1910 katastrophale Herbste eingefahren. Der Luxemburger Weinbau fiel in eine tiefe Krise, aus der die Winzerschaft nur geschlossen herausfinden sollte. In ihrer Existenz bedroht, gründeten die in mehr als 30 Winzervereinen zusammengeschlossenen Winzer den Verband zur Verteidigung ihrer Interessen, zur Weiterbildung der Mitglieder und um gemeinsam und somit günstiger Verbrauchsstoffe und Arbeitsmaterialien einkaufen zu können.
Am 14. Januar 1912 fand die erste Generalversammlung des Winzerverbandes statt, im September des gleichen Jahres waren bereits 30 der 31 an der Mosel bestehenden Winzervereine Mitglied. Mit der Luxemburger Weinzeitung verfügte der Verband von Anfang an über ein Verbindungsorgan, das zweimal monatlich erschien. Doch brachte der erste Weltkrieg wieder zusätzliches, wirtschaftliches und menschliches Leid über die Winzerschaft.
Schwere Kriegsjahre
Schwierigkeiten bei der Beschaffung von Pflanzenschutzmitteln, Handelseinschränkungen, Weinexportverbot und schlußendlich die Beschlagnahme aller Weinreserven waren die direkten Folgen der Kriegswirren, denen die Winzer sich ausgesetzt sahen. Auf den ersten Januar 1919 wurde der Deutsche Zollverein aufgelöst. Übergangsbestimmungen des Versailler Vertrags sahen Weinimportzwänge für Deutschland vor, die die Auflösungen des Zollvereins erträglicher gestalten sollten. Aber Luxemburg brauchte einen neuen Wirtschaftspartner und im Rahmen des nationalen Referendums entschieden sich die Luxemburger mehrheitlich für Frankreich und nicht für Belgien. Da Frankreich die Wirtschaftsanfrage aber ablehnte, trat Luxemburg ab dem Jahre 1922 in einen Wirtschaftspakt mit Belgien ein – Glücksfall und Herausforderung zugleich für die Winzerschaft.
Zu diesem Zeitpunkt gab es weder in Belgien noch in Luxemburg selbst eine Nachfrage nach den eher leichten, stark säuregeprägten Moselweinen. Durch Neupflanzungen, Rodungsprämien und nicht zuletzt durch die rasche Entstehung der sechs Genossenschaftskellereien wurden aber konsequente Qualitätssteigerungen erzielt, die dank der Organisation von nationalen und der Beteiligung an internationalen Wein- und Konsumentenmessen den Kunden nahegebracht werden konnten. Die Nachfrage im Land konnte innerhalb von zehn Jahren vervierfacht werden. Der Winzerverband hatte wesentlich zum Erfolg des ersten qualitativen Reformprogramms im Luxemburger Weinbau beigetragen.
Mit der Marque nationale, der Nationalmarke, entstand im Jahre 1935 in Luxemburg eine Qualitätskontrolle, die wesentlich zum kommerziellen Erfolg der Luxemburger Weine beitrug. Die Vermarktung der Weine geschah nunmehr größtenteils in Flaschen, anstatt wie bisher in Fässern, was selbstverständlich für den Kunden neben einem gesteigerten Komfort auch erhebliche qualitative Vorteile hatte. Ende der 30er Jahre stand der Luxemburger Weinbau auf einem Höhepunkt seiner Geschichte.
Doch 25 Jahre nach dem ersten umfassenden Krieg stürzte die Welt erneut in einen verheerenden Konflikt. Während der beiden letzten Kriegsjahre wurde die Bevölkerung der Moselregion evakuiert, die Weinbestände waren verloren, der Weinberg sich selbst überlassen. Gebäude und Kellerinstallationen wurden zerstört. Doch durch die guten Ernten der Nachkriegsjahre und die Schaffung der Benelux-Zollvereinigung konnten allen Widrigkeiten zum Trotz die Auswirkungen des Krieges für den Luxemburger Weinbau in erträglichen Grenzen gehalten werden.
Rasante Modernisierung im Weinbau
Während der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts kam es zu wesentlichen Neustrukturierungen im Luxemburger Weinbau. Die Anzahl der Betriebe verringerte sich in dieser Zeit um mehr als zwei Drittel von 1.800 auf weniger als 500. Gleichzeitig wurde in die Modernisierung der Betriebe investiert. Die Genossenschaftskellereien schlossen sich in der Vinsmoselle zusammen, die Helikopterspritzungen wurden zur allgemeinen Schädlingsbekämpfung entlang der gesamten Mosel eingesetzt und der Weinbau-Solidaritätsfonds übernahm wesentliche Aufgaben vom Winzerverband.
Ab den 60er Jahren führte die systematische Flurneuordnung praktisch zu einer Halbierung der Parzellenanzahl. 1991 wurde mit der Appellation Crémant de Luxembourg eine der erfolgreichsten Produktlinien der Luxemburger Weinbaugeschichte eingeführt. Zu Anfang des neuen Jahrtausends entstand schließlich mit der Commission de Promotion des Vins et Crémants de Luxembourg eine professionelle und moderne Struktur zur Vermarktung der Luxemburger Weine. Damit war auch das letzte seiner klassischen Betätigungsfelder neu besetzt, was den Winzerverband zu einer generellen Neudefinierung seiner Aufgaben zwang.
Neue Aufgaben für den Winzerverband
Mitte 2003 übernahm der Winzerverband die Leitung der LEADER-Gruppe Miselerland und wurde im Laufe der folgenden zehn Jahre zum führenden Akteur in der Regionalentwicklung in den Kantonen Remich und Grevenmacher. Mit der Organisation des Weinbautages, der als jährliche Fortbildungs- und Informationsveranstaltung bei der Winzerschaft auf reges Interesse stößt, behält er ein wesentliches Standbein in seinem ursprünglichen Wirkungsbereich. Dies gilt in gleichem Maße für die offizielle Vertretung des Luxemburger Weinbaus, die der Winzerverband bei der Vereinigung der Europäischen Weinbauregionen (AREV) und bei der Europäischen Wirtschaftlichen Interessenvereinigung Terroir Moselle übernimmt. Als Initiator und Mitbegründer von 100% Luxembourg, dem Vermarktungskonzept für Regionalprodukte aus Luxemburg, stellt er seit zwei Jahren seine Kompetenzen im Marketingbereich ebenfalls in den Dienst aller Regionalproduzenten Luxemburgs.