Landwirtschaft soll auch in den Nichtgunstregionen eine Zukunft haben

Bericht von der Internationalen Tagung der Bauernverbände Belgiens, Deutschlands und Luxemburgs

Die anstehende GAP-Reform, die erstmals seit Bestehen der Gemeinsamen Agrarpolitik mit einer Kürzung des Brüsseler Agraretats einhergeht, war Anlaß für eine internationale Tagung der Bauernverbände der Grenzregion Belgien, Luxemburg und Deutschland, die am 22.04.2013 im Kulturzentrum Triangel in St. Vith stattfand. Zahlreiche Landwirte aus der Region nahmen an dieser interessanten agrarpolitischen Veranstaltung teil. Eingeladen hatten der für die deutschsprachige Minderheit in Ostbelgien zuständige Belgische Bauernbund, die Bauernzentrale sowie der Bauern- und Winzerverband (BWV) Rheinland-Nassau, welcher die Landwirte und Winzer im nördlichen Rheinland-Pfalz vertritt. Elf Jahre nach der grenzüberschreitenden Tagung im Eifelort Winterspelt war es die zweite Veranstaltung dieser Art im nördlichen Teil der Großregion. Zum einen standen Vorträge zur Agrarpolitik, bei denen die verschiedenen Sichtweisen von EU-Kommission, Europaparlament sowie nationalen und regionalen Akteuren zum Ausdruck kamen, auf dem Programm. Zum anderen legten die drei veranstaltenden Bauernverbände ihre Sicht der Dinge zur GAP-Reform und deren Auswirkungen auf die Landwirtschaft in der von Grünland dominierten Region dar, die nicht zu den Gunstregionen in der Europäischen Union zählt, aber traditionell stark von der Landwirtschaft geprägt ist.

Schiefes Bild von der modernen Landwirtschaft geraderücken

Der Präsident des BWV Rheinland-Nassau, Leo Blum, sagte in seiner Begrüßungsansprache, daß es bei der anstehenden Entscheidung zur GAP-Reform gelte, „alle Positionen unter einen Hut zu bringen“. Selbst in der engeren grenzübergreifenden Region gebe es Unterschiede, die zwar nicht ganz trennend seien, die dennoch ihre Bedeutung hätten. „Schon daran erkennt man, daß es für die EU-Kommission schwierig wird, den gemeinsamen Nenner zu finden“, zeigte sich der Präsident des BWV Rheinland-Nassau überzeugt. Hauptziel der Veranstaltung sei, ein Signal an die Politik, die Trilog-Akteure Agrarrat, EU-Kommission und EU-Parlament zu senden.

Leo Blum lobte die Fortschritte in der europäischen Einigung und der grenzüberschreitenden Zusammenarbeit mit den heutigen gutnachbarschaftlichen Beziehungen und erinnerte an Zeiten, als dies noch ganz anders war.

Der Präsident übte anschließend Kritik an der ausufernden Bürokratie. Er hob hervor, daß die Bauern ihren Beitrag bezüglich der gesellschaftlichen Ansprüche an die Landwirtschaft leisteten und der Berufsstand nicht unter Kontrollen zu leiden haben sollte. „Unseren Nutztieren ging es noch nie so gut wie heute. Das müssen wir der Politik deutlich sagen“, stellte der Landwirtschaftsmeister unter anderem heraus, betonte zudem, daß in der Produktion tierischer Lebensmittel mehr Kontrollen nötig seien, allerdings in den vor- und nachgelagerten Bereichen und somit außerhalb der Landwirtschaft.

Des weiteren warf der Präsident vielen Politikern vor, von einer nostalgischen Landwirtschaft „von früher“ zu träumen und stellte das eigene, realistische Leitbild gegenüber: „Eine Landwirtschaft, die mit modernen Methoden hochwertige und bezahlbare Lebensmittel herstellt, wird gebraucht – und die gilt es zu unterstützen.“

Außerdem stellte Leo Blum, der einen Milchviehbetrieb mit Biogasanlage führt, klar, daß die wunderschöne Landschaft draußen nicht durch bürokratische oder politische Vorgaben entstanden sei, sondern durch Bauernhand. „Sie wird sich auch künftig ändern und weiterentwickeln“ – eine Anspielung auf nostalgische Vorstellungen so mancher Zeitgenossen, wonach alles so bleiben sollte „wie früher“.

Bezüglich des Greenings forderte der Ökonomierat, daß die in der Region vorhandenen Strukturelemente ausreichend sein müßten („kein zusätzliches drangsalieren und kontrollieren“).

Rolle rückwärts in Richtung Kopplung und permanente Marktmechanismen?

Erster Gastredner war Dr. Dietrich Guth, Ministerialdirektor im deutschen Bundesministerium für Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz und dort für die Abteilung EU-Politik, Internationale Zusammenarbeit, Fischerei zuständig. Dr. Guth machte eingangs die Position der deutschen Regierung deutlich, derzufolge es gilt, den EU-Haushalt für die kommende Periode 2014-20 auf ein Prozent des EU-Bruttonationaleinkommens zu begrenzen. Von den Kürzungen um 100 Milliarden Euro sei nun auch das Agrarbudget betroffen. Die Verluste in der 2. Säule bezifferte er auf 9%.

Der Ministerialdirektor zeigte anhand einer Graphik die historische Entwicklung des Agrarbudgets seit 1980 auf. Waren es zu Beginn der Periode noch Marktmaßnahmen, die den Löwenanteil verschlangen, so wurde 1992/93 mit der Einführung der Direktzahlungen erstmals ein Schnitt vollzogen. Die anfangs an die Produktion gekoppelten Zahlungen wurden seit 2005/06 in Deutschland schrittweise entkoppelt. Der Redner nannte als ein wichtiges Anliegen seiner Regierung, bis 2020 eine vollständige Entkopplung in der gesamten EU zu erreichen. Er kritisierte, daß es seitens drei großer Mitgliedstaaten (Frankreich, Italien, Spanien) nun Bestrebungen gebe, wieder rückwärtsgewandt in Richtung stärker gekoppelte Zahlungen gehen zu wollen. Bei der geplanten Konvergenz der Direktzahlungen auf EU-Ebene zeigte er die Gewinner und Verlierer auf. Alle drei bei der Konferenz beteiligten Länder sind zwar auf der Verliererseite, aber in unterschiedlichem Maße: Belgien schneidet laut Dr. Guth mit einem Minus von 12,5% am schlechtesten ab, Deutschland liegt mit minus 7,7% in der Mitte, während Luxemburg mit minus 4,9% (Anmerkung der Redaktion: von Landwirtschaftsminister Schneider werden 3% angegeben) bei den Direktzahlungen am wenigsten Federn läßt.

Bezüglich der geplanten internen Konvergenz innerhalb der Mitgliedstaaten sprach der Redner von fakultativen Sonderregelungen für Junglandwirte, benachteiligte Gebiete und Kleinerzeuger. Wer überhaupt als „aktiver Landwirt“ in den Genuß von Direktzahlungen kommen sollte, ist nach Ansicht von Dr. Guth derjenige, der den Boden bewirtschaftet.

Beim Thema Greening wies Dr. Guth darauf hin, daß die Vorstellungen bezüglich der ökologischen Vorrangflächen und die Sonderregelungen hierzu sehr umstritten sind. Die vom Agrarrat beschlossene Sanktionsobergrenze betrage 125% der an das Greening gebundenen Direktzahlungen. Zu den Sonderregelungen zwecks Freistellung von den Greening-Verflichtungen, die im Gespräch sind, zählen ein Mindestanteil von 75% Agrarumweltmaßnahmen sowie ein Mindestanteil von 75% Dauergrünland.

Der deutsche Ministerialdirektor und Experte für EU-Agrarpolitik sprach schließlich die Marktmaßnahmen an. Auch hier werde eine „Rolle rückwärts“ befürchtet. Als Position der Bundesregierung nannte er die Benennung klarer Bedingungen, die für die Nutzung des Instrumentariums Marktintervention gegeben sein müssen, und eine Absage an permanente Mechanismen. „Jede Maßnahme im Marktbereich führt zu Kürzungen bei den Direktzahlungen“, warnte der Fachmann.

Nicht am Auslaufen der Milchquotenregelung rütteln

Im Anschluß machte die EU-Parlamentariern Christa Klaß deutlich, daß das EU-Parlament das erstmals zugestandene Mitentscheidungsrecht bei der anstehenden GAP-Reform nutzen wird, versicherte aber, daß man trotz der unterschiedlichen Vorstellungen im Agrarausschuß eine hohe Bereitschaft zeige, Kompromisse einzugehen.

Christa Klaß bemängelte zunächst, daß die verpflichtenden Greening-Maßnahmen den Unterschieden in der EU nicht gerecht werden und nicht in das grenzüberschreitende Grünlandgebiet passen. Auch kritisierte sie die Tendenz, nun in Richtung Bestrafung der Landwirte gehen zu wollen. Das EU-Parlament habe bei Verstoß gegen die Greening-Auflagen nur die Kürzung des Greening-Anteils an den Direktzahlungen, d.h. 30% vorgeschlagen. Der Agrarrat hat seinerseits als Sanktion 125% des Greening-Anteils vorgeschlagen, d.h. konkret 37,5% des gesamten Zahlungsanspruchs. Sie sprach sich dafür aus, den Anteil der ökologischen Vorrangflächen so gering wie möglich zu halten und verteidigte die Position des Parlaments, zunächst nur 3% vorzusehen. Vom diesbezüglichen Beschluß des Agrarrats sei man sehr enttäuscht. „Wir brauchen unseren Acker“, konstatierte sie. Außerdem forderte sie mehr Anrechnungsmöglichkeiten für bereits bestehende Elemente, wofür sie im Saal Applaus erntete.

In puncto benachteiligte Gebiete sagte sie: „Wir wollen nicht diese großen Verschiebungen in den Regionen, wie der Agrarrat sie ab 2016 vorschlägt. Diesen Schub hätten wir jetzt nicht gebraucht.“

Die EU-Parlamentarierin kam dann auf das Procedere der Kompromißfindung im Trilogverfahren zu sprechen. Von Seiten des Parlaments sind die vier Wortführer der Fraktionen beteiligt. Innerhalb der EVP-Fraktion habe sich der Franzose Michel Dantin mit seiner „südeuropäischen“ Position durchgesetzt, nämlich weniger freier Markt, stattdessen mehr „Dirigismus und Absicherung“.

Beim Milchmarkt sprach sich Christa Klaß dafür aus, am Auslaufen des Quotensystems nicht zu rütteln und auch keine neuen Alternativen auf regionaler Ebene einzuführen. Das frühere regionale Denken im Milchmarkt sei nicht mehr zurückzuholen.

Abschließend sprach die Politikerin, die als Winzerin auch Vorstandsmitglied der Landwirtschaftskammer Rheinland-Pfalz ist, davon, daß die absehbaren Kürzungen gestaltet werden müssen, es aber „in der Regel nicht unsere Landschaften sind, die von Brüsseler Zahlungen profitieren“.

Stillegung für das Greening nur ein Mißverständnis?

Die nachfolgende Referentin war Silke Obst, Mitglied des Kabinetts von Agrarkommissar Dacian Ciolos. Die Referentin ohne landwirtschaftlichen Hintergrund, man könnte auch sagen „ohne Stallgeruch“, war sichtlich bemüht, die EU-Kommission in einem positiven Licht erscheinen zu lassen. So merkte sie eingangs an, daß der Kommissionsvorschlag zum EU-Haushalt 2014-20 gekürzt worden sei und die Landwirtschaft im Zuge der GAP-Reform je nach Berechnung mit ganz erheblichen Einschnitten im Agrarbudget von 18-19% zu rechnen habe. Dieses Ergebnis sei aber nicht das, was man sich in der Generaldirektion Landwirtschaft vorgestellt habe.

Zum Stand der Trilog-Verhandlungen sagte die Referentin, daß man noch am Anfang stehe, dennoch hoffe, bis Juni die nötigen Kompromisse zu finden.

In Sachen Definition aktiver Landwirt merkte sie an, daß es Bewegung in Richtung einer Negativliste gebe. Man sei eher auf der Linie des EP und es werde seitens der Kommission eine europäische Lösung angestrebt.

Bezüglich der Kleinlandwirte sei man für Vereinfachungen. Sonderregelungen für Kleinlandwirte würden beim Greening 33% der EU-Landwirte betreffen, aber nur 3% der Flächen. Das EP und der Agrarrat hätten beschlossen, dies den Mitgliedstaaten zu überlassen.

Im Anschluß wagte die Kommissionsmitarbeiterin die Behauptung, daß die ökologischen Vorrangflächen nie als Flächenstillegung gedacht waren. Auch die Nichtankennung von Extraelementen in der Landschaft im Rahmen des Greenings stellte sie als frei erfunden dar. Des weiteren versicherte sie, daß Agrarumweltmaßnahmen anerkannt werden sollen. Vom Tisch sei lediglich, daß jede AUM anerkannt werden sollte. Silke Obst legte dar, daß man beispielsweise in Deutschland bereits jetzt über 4-5% ökologische Vorrangflächen verfügt. Zum Teil seien noch Äquivalenzprüfungen nötig.

Abschließend sprach Silke Obst von der Notwendigkeit von Pauschalberechnungen, um Doppelfinanzierungen aus 1. und 2. Säule zu verhindern.

Rheinland-Pfalz muß mit starken Einbußen rechnen

Die rheinland-pfälzische Landwirtschaftsministerin Ulrike Höfken zeigte im folgenden auf, daß es auch innerhalb Deutschlands erhebliche Unterschiede gibt. Sie sprach für ihr Bundesland von enormen Kürzungen von mindestens 15% in der 2. Säule und von 30% insgesamt. Bei den entkoppelten Hektarzahlungen sei Rheinland-Pfalz Schlußlicht in Deutschland. „Für uns ist die 2. Säule sehr wichtig“, merkte die Ministerin an. Entgegen der Kommissionsbeamtin sprach sie sich in bestimmten Fällen für die Möglichkeit der Doppelförderung aus 1. und 2. Säule aus.

Die Grünen-Politikerin wandte sich gegen eine völlige Liberalisierung des Milchmarkts. Als „vernünftigen Ansatz“ sprach sie sich dafür aus, Angebot und Nachfrage in der Hand zu behalten. Bereits jetzt sei Kostendeckung sehr schwierig und es bestehe die Gefahr für ein Aus der Milchviehhaltung in der Region. Abschließend forderte sie Solidarität seitens der Gunstregionen ein. Diesbezüglich sprach sie sich schließlich für eine national einheitliche Flächenprämie aus.

Diskussion und Pressekonferenz

In der anschließenden Diskussion wurden von Praxisseite vor allem Fragen zum Greening, dem geltenden Umbruchverbot für Dauergrünland und dem Verlust von Flächen für die Produktion aufgeworfen. Christa Klaß lehnte den Kommissionsvorschlag ab, Kleinlandwirte von den Greening-Verpflichtungen auszunehmen.

Dr. Dietrich Guth machte deutlich, daß es in der Praxis schwierig sein wird, Verstöße gegen Greeningauflagen zu sanktionieren. Man wolle erreichen, daß im Basisrechtsakt zur GAP-Reform eine Stillegung von Ackerflächen im Rahmen des Greenings ausgeschlossen werde, merkte der Ministerialdirektor des weiteren an.

In einer Pressekonferenz betonten die Vertreter der Bauernverbände ihre gemeinsamen Standpunkte. So wurde u.a. die wichtige Frage nach der Junglandwirteförderung aufgeworfen. Der Präsident der Bauernzentrale, Marc Fisch, gab zu bedenken, daß die Rahmenbedingungen für den Neueinstieg schon jetzt nicht mehr stimmen und man auf die GAP-Reform eigentlich die Zukunft der Landwirtschaft aufbauen muß.

Der Vizepräsident des BWV Rheinland-Nassau, Michael Horper, kritisierte, daß von Kommissionsseite immer mehr Maßnahmen mit Auflagen und Kontrollen erfunden werden, um EU-Zahlungen zu rechtfertigen. Erstaunt zeigte er sich bzgl. der Äußerungen der Kommissionsmitarbeiterin in Sachen Greening. Die ursprünglichen Vorschläge zur Anrechnung von Greeningflächen seien von den Agrarministern aufgeweicht worden, während sich die Kommission nicht bewegt habe, so der BWV-Vize. Er merkte schließlich an, daß der Anbau von Eiweißpflanzen unter AUM-Bedingungen, also ohne Pflanzenschutz, in der Region nicht funktionieren kann.

Raymond Geiben, Vorsitzender der belgischen VDL, machte auf den sehr hohen Anteil von Dauergrünland in der grenzüberschreitenden Region aufmerksam und fragte deshalb: „Warum sollen wir noch gepiesackt werden mit Fruchtfolge-Vorschriften und Grünland-Umbruchverbot?“