Zusammen mit dem Informationsbüro des Europäischen Parlamentes hatte Frau Astrid Lulling, Europaabgeordnete, am 19. April, Vertreter aus Landwirtschaft, Weinbau und Gartenbau zu einer Konferenz zum äußerst wichtigen und brennenden Thema „GAP-Reform: Was kommt auf die Luxemburger Landwirtschaft und den Weinbau zu?“ eingeladen. Bei der Konferenz zugegen waren auch Landwirtschaftsminister Schneider sowie die Direktoren von ASTA und SER, die Herren Wietor und Treinen. Gastreferent bei der Konferenz war Herbert Dorfmann, Europaabgeordneter aus Südtirol und Mitglied des Agrarausschusses im Europaparlament.
Die jeweils für die Landwirte günstigsten Maßnahmen im Trilog zurückbehalten
Eingangs der Konferenz wies Frau Lulling auf die Trilog-Verhandlungen hin, die seit dem 11. April zwischen Kommission, Europaparlament und Agrarrat laufen – mehr als 30 Treffen sind geplant mit dem Ziel, bis Ende Juni eine politische Einigung erreicht zu haben. Für Astrid Lulling tragen dabei die vom Europaparlament zu wesentlichen Punkten vertretenen Positionen stärker den Sorgen und Bedürfnissen der Landwirte Rechnung als die Positionen, die im Agrarministerrat als Kompromiß festgehalten wurden. „Wir brauchen die Landwirtschaft, um die Lebensmittelversorgung zu gewährleisten und es wäre falsch, mit unangemessenen Maßnahmen die Landwirte gegen Europa aufzubringen“, so Astrid Lulling. Sie plädiert denn auch dafür, daß im Trilog die jeweils für die Landwirte günstigsten Maßnahmen zurückbehalten werden, eine Haltung, die man nur begrüßen kann.
Mit blauem Auge davongekommen …?
In seinen Ausführungen ging Landwirtschaftsminister Schneider zunächst auf die Haushaltsaspekte ein. Gemäß dem vorliegenden Haushaltsentwurf kämen Luxemburg rund 33 Mio. Euro jährlich für die erste Säule zu. Für den Zeitraum 2014 bis 2020 stünden in der 2. Säule circa 100 Mio. Euro zur Verfügung, wovon 25% für Umweltmaßnahmen zu verwenden sind. Konkret bedeutet dies wohl ein Minus, welches sich jedoch, unter Berücksichtigung der Inflationsanpassungen, auf etwa 3% beschränken dürfte. Damit wäre Luxemburg mit einem blauen Auge davongekommen, so Minister Scneider, der gleichzeitig den hohen Stellenwert unterstrich, den die hiesige Regierung der Landwirtschaft zuerkennt, so wie Premier Juncker dies noch kürzlich in der Regierungserklärung zur Lage der Nation unterstrichen habe. Ob Luxemburg tatsächlich mit einem blauen Augen davonkommt, bleibt abzuwarten…; manches deutet nämlich trotz andersorientierter Beteuerungen auf tiefgreifende Einschnitte hin…
Greening und Konvergenz bezeichnete der Minister als die Hauptherausforderungen dieser Reform. Während die bis 2019 angestrebte externe Konvergenz keine großen Probleme für unsere Landwirtschaft mit sich bringt, ist dem nicht so bei der internen Konvergenz. Deshalb sei eine möglichst große Flexibilität notwendig und mit den Maßnahmen, die im Kompromißpapier im Ministerrat dem Land zugestanden wurden, dürfte eine „Soft landing“ möglich sein.
Beim Greening muß für Minister Schneider die Möglichkeit des Anbaus von Eiweißpflanzen auf den Vorrangflächen als besonderes wichtig bewertet werden. Zudem wurden vom Agrarrat die Kriterien bezüglich der anrechenbaren Flächen sehr viel breiter als ursprünglich vorgeschlagen aufgestellt. Laut bislang getätigten Berechnungen wären bereits heute, so Minister Schneider, hierzulande 2% Vorrangflächen in den Betrieben zugegen – es gehe demnach noch um 3%, die die Betriebe zusätzlich erfüllen müssen, was allerdings nach Einschätzung des Landwirtschaftsministeriums für die hiesige Landwirtschaft erreichbar sein dürfte. Die vorgesehenen Sanktionen bei Nicht-Erfüllen der Greening-Auflagen seien eine Kompromißlösung, betonte der Minister.
Luxemburg habe immer besonderen Wert auf die spezifische Junglandwirteförderung gelegt, und in dem Sinn die Möglichkeit erhalten, auch künftig einen Pauschbetrag an alle Junglandwirte zu gewähren – derselbe dürfte etwas höher liegen als dies zur Zeit der Fall ist.
Zu den Maßnahmen im Bereich der Marktordnung erwähnte Minister Schneider das Thema der Pflanzenrechte im Weinbau, wobei er meinte, mit der zurückbehaltenen Lösung dürfte es hierzulande keine besonderen Probleme geben. Ablehnen tut Luxemburg den vom Berichterstatter Dantin im Europaparlament in die Diskussion gebrachten Vorschlag einer Nachfolgeregelung bei den Milchquoten.
Es wird mit Sicherheit nicht mehr dasselbe sein wie jetzt,…
Im Zusammenhang mit der Politik zur ländlichen Entwicklung ging Minister Schneider insbesondere auf die Problematik der Neudefinition der benachteiligten Gebiete auf Basis der acht von der Kommission festgelegten biophysikalischen Kriterien ein. Die Ausgleichzulage für benachteiligte Gebiete ist mit einem Betrag von etwa 15,5 Mio. Euro eine für die hiesige Landwirtschaft besonders wichtige Unterstützung. Auf Agrarratsebene wurde im März festgehalten, daß die ursprüngliche Schwelle von 66% der Flächen, die eines der erwähnten acht Kriterien erfüllen müssen, auf 60% heruntergesetzt. Luxemburg hatte dazu eine Schwelle von 55% beantragt, eine Forderung, die jedoch keine Zustimmung im Rat fand. Auch wurde festgehalten, daß eine Kombination von zwei Kriterien möglich ist, wobei die zu erreichende Marke dann bei jeweils 80% liegt. Derzeit wird überprüft, inwieweit diese Kriterien hierzulande erfüllt sind. Minister Schneider zeigte sich wohl zuversichtlich, meinte aber gleichzeitig, was dies auch immer bedeuten oder andeuten mag, daß es nachher (nach der Neudefinition) mit Sicherheit nicht mehr dasselbe sein wird wie jetzt, selbst wenn es immer noch die Hintertür der 10% gebe. Die Neudefinition der benachteiligten Gebiete wird erst 2016 in Kraft treten, so daß es 2014 und 2015 keine Änderungen geben wird. Dies ist allerdings aus Sicht der Landwirtschaft kaum ein Trost, wenn es sich herausstellen sollte, daß tatsächlich nicht mehr alle Flächen als benachteiligt gelten.
Nicht einverstanden ist Luxemburg mit der namentlichen Veröffentlichung all derjenigen, die Gelder aus dem europäischen Agrarfonds erhalten. Transparenz sei wohl wichtig und richtig und deshalb sollte auch klar gesagt werden, welche Gelder für welche Maßnahmen verwendet werden – nicht zulässig und fragwürdig in bezug auf die Menschenrechte sei jedoch die namentliche Veröffentlichung aller Landwirte mit Angabe der dem Betrieb zustehenden Fördergelder im Internet. Wahrscheinlich wird Luxemburg allerdings keine Mehrheit im Rat für dieses Anliegen finden.
Auf nationaler Ebene wolle er, so Landwirtschaftsminister Schneider, den Nationalen Plan zur ländlichen Entwicklung, bevor er zwecks Genehmigung den Kommissionsstellen übermittelt wird, mit allen betroffenen Akteuren diskutieren – der Agrarkommission, der Abgeordnetenkammer, der Landwirtschaftskammer.
Nicht erwähnt hat Minister Schneider die landwirtschaftlichen Gewerkschaften… – ob sie wohl einmal mehr von den Diskussionen ausgeschlossen bleiben??
Die Agrarpolitik im Lichte des Marktgeschehens sehen
Gastreferent bei dieser Konferenz war Herbert Dorfmann – italienischer Europaabgeordneter aus Südtirol. In seinen Ausführungen beleuchtete er die GAP-Reform hauptsächlich aus europäischer Sicht, erwähnte dabei jedoch auch nationale Probleme, die sich in dem einen oder anderen Land stellen.
Eingangs seiner Ausführungen ging Herbert Dorfmann auf Fragen im Zusammenhang mit dem europäischen Haushalt ein. Das Europaparlament sei diesbezüglich auf Kriegsfuß mit der Kommission und dem Rat – dabei gehe es nicht so sehr um die Höhe des Budgets, sondern um mehr Flexibilität. Das Europaparlament fordert nachdrücklich, daß Übertragungen von einem Jahr auf das andere möglich sein müssen, auch von einem Budgetposten auf den anderen, anstatt daß nicht direkt verwendete Gelder an die Mitgliedstaaten zurückfließen und im Nachhinein dann doch im Haushalt fehlen, oftmals weil sie zuvor bereits engagiert waren. Zu diesen Punkten müsse der Rat und die Kommission sich deutlich bewegen, ansonsten das Parlament dem Haushalt nicht zustimmen werde.
Für Dorfmann ist Agrarpolitik Wirtschaftspolitik; sie kann demnach nicht unabhängig von dem Marktgeschehen konzipiert werden. Für die Wirtschaftsexperten ist nämlich eine „kopernikanische Wende“ zu erwarten, dies im Zusammenhang mit der Lebensmittelnachfrage, die sich in den kommenden Jahrzehnten praktisch verdoppeln dürfte. Ein besonderes Augenmerk muß dabei den BRICS-Staaten (Brasilien, Rußland, Indien, China und Südafrika) zukommen – in den Staaten lebt mehr als die Hälfte der Weltbevölkerung.
1962 wurde die GAP eingeführt, insbesondere weil die Lebensmittelversorgung sich durch eine Mangelsituation kennzeichnete. Mit der Gemeinsamen Agrarpolitik kam der Überfluß – damit auch der Übergang von einem Nachfragemarkt zu einem Angebotsmarkt, mit Produktionsüberschüssen, verstärkter Konkurrenz sowie erhöhtem Preisdruck. Ein wesentlicher Teil der GAP war bislang auf die Bewältigung des Überflusses ausgerichtet. Laut Wirtschaftsexperten werden wir allerdings bei den derzeitigen Entwicklungen wiederum in einem Nachfragemarkt landen mit einem Angebot, welches hinter der Nachfrage bleibt und mit Preisen, die tendentiell steigen. Diese Überlegungen sind insbesondere in bezug auf die Ausgestaltung der ersten Säule der GAP zu berücksichtigen.
Wir müssen die Konvergenz hinkriegen
Für Herbert Dorfmann stellt die Konvergenz der Direktzahlungen – sowohl die externe als auch die interne Konvergenz – die größte Herausforderung dar, dies auch weil die GAP, wie angekündigt, nicht nur grüner werden soll, sondern vor allem auch gerechter. Gerechter kann sie aber nur werden, wenn die teilweise riesigen Unterschiede bei den für die gleichen Leistungen gewährten Ausgleichszahlungen abgebaut werden. In den Diskussionen im Europaparlament hat sich zwischen den Mitgliedstaaten eine große Solidarität zur Neuverteilung der Gelder gezeigt und es wurde versucht, einen konstruktiven, gangbaren Weg zu finden, um den Ländern, die sehr niedrige Prämien haben, entgegenzukommen.
Das Hauptproblem liegt damit, so Herbert Dorfmann, nicht in der externen Konvergenz, sondern in der internen Konvergenz. Sicherlich sind die Situationen in den einzelnen Ländern in diesem Punkt sehr unterschiedlich: In Deutschland mit seinem 2005 gewählten Regionalmodell stellt sich die Frage nicht. Auch in Luxemburg sind die Unterschiede nicht so markant. Demgegenüber ist es jedoch ein großes Problem in Ländern wie Italien, Spanien oder Frankreich, die 2005 das historische Modell gewählt haben und die Entkopplung noch nicht voll durchgezogen haben. Als Beispiel nannte Herbert Dorfmann Italien: Während in Südtirol die Direktzahlungen bei durchschnittlich 50 Euro pro Hektar liegen, gibt es rund 130.000 Zahlungsansprüche von 5.000 Euro – es sind dies die Zahlungsansprüche, die ursprünglich der Tabakerzeugung zugeteilt wurden. Inzwischen wird aber auf 70.000 der rund 130.000 Hektar überhaupt kein Tabak mehr angebaut, sondern Mais oder Weizen. Riesige Unterschiede gibt es auch bei Oliven oder Reis. „Das kann nicht funktionieren – wenn das Problem der Konvergenz nicht gelöst wird, fliegt die erste Säule in die Luft“, so die nachdrückliche Warnung von Herbert Dorfmann. Deshalb muß nach einem vernünftigen Weg gesucht werden, in einem ersten Schritt eine sofortige Annäherung zu erreichen, um dann progressiv über sieben Jahre der Konvergenz nahezukommen.
Der Unsinn des Greenings
„Am Beispiel Luxemburgs zeigt sich dramatisch der Unsinn des Greenings!“ Mit dieser Aussage kritisiert Herbert Dorfmann die Bestrebungen der Kommission, mit den Greening-Maßnahmen, ungeachtet der Ausgangsposition, der gesamten Landwirtschaft in der Union das gleiche Modell überstülpen zu wollen.
Eigentlich habe die Kommission den Vorschlag einer 7%igen ökologischen Vorrangfläche von der Schweiz abgeschrieben – aber auch dort habe das Modell nicht wirklich funktioniert. Es mache jedenfalls wenig Sinn, einfach Flächen aus der Produktion zu nehmen, selbst wenn in ausgeräumten Landschaften, wie es deren in der einen oder anderen Region Europas gibt, Landschaftselemente Sinn machen würden, auch um den Erosionsproblemen zu begegnen.
In Luxemburg beteiligen sich 90% der Landwirte an einer Agrarumweltmaßnahme (einschließlich der Landschaftspflegeprämie), in Österreich sind es 70%, in Belgien 25%. In den Niederlanden sind es nur 10%; dort werden lediglich 1,5% des Agrarhaushaltes für Agrarumweltmaßnahmen aufgewendet. Der Ansatz beim Greening hätte anders sein müssen; vor allem hätte die Ausgangssituation viel stärker berücksichtigt werden müssen. In dem Sinn hatte der Agrarausschuß im Europaparlament gefordert, daß die Beteiligung an den Agrarumweltprogrammen beim Greening anerkannt wird, eine Maßnahme, die leider im Plenum des Parlamentes keine Zustimmung fand. Zu hoffen bleibt nun, daß der Agrarrat sich mit dieser Forderung durchsetzen wird. Der Rat hat die beim Greening anrechenbaren Flächen erweitert. Die Notion „Greening by Definition“ wurde geprägt – diese Notion muß eine möglichst flexible und breite Anwendung finden, so daß nicht nur Biobetriebe automatisch als grün gelten, sondern auch Betriebe mit hohem Grünlandanteil oder Betriebe, die sich an Agrarumweltprogrammen beteiligen.
Zu den benachteiligten Gebieten meinte schließlich Herbert Dorfmann, daß eine Neudefinition nur Sinn macht, wenn man es besser macht als bisher, wenn sie für die Landwirte nachvollziehbar ist, was aber mit den jetzigen Kriterien nicht der Fall ist. Deshalb habe das Europaparlament sich dafür ausgesprochen, die Neuabgrenzung aufzuschieben.
Fazit: Es bedarf einer aktiveren Agrarpolitik…
Die Ausführungen und Diskussionen bei dieser von Frau Lulling mit dem Informationsbüro des Europaparlamentes initiierten Konferenz zeigen allemal die Vielfältigkeit und Komplexität der Themen auf. Klar dabei unterstrichen wurde aber auch die unersetzliche Rolle der Landwirtschaft in bezug auf die Sicherstellung der Lebensmittelversorgung, dies neben allen Aufgaben, die der Landwirtschaft im Bereich der Umwelt und der Landschaftspflege aufgetragen werden, Aufgaben, zu denen sich künftig Wasserschutz und Klimaschutz gesellen, um nur diese zu nennen. Umso wichtiger ist es, es kann aus Sicht der Bauernzentrale nicht oft genug unterstrichen werden, der Landwirtschaft die Mittel zu geben bzw. zu lassen, diesen Aufgaben gerecht zu werden. Dies wird sicherlich nicht gelingen mit immer mehr Auflagen und Restriktionen. Vielmehr bedarf es einer aktiveren, einer zukunftsorientierten Agrarpolitik, einer Politik, die die Landwirtschaft als Wirtschaftssektor mit all ihren bereits jetzt erbrachten Leistungen voll anerkennt, unterstützt und stärkt.
Abschließend legt die Bauernzentrale besonderen Wert darauf, Frau Lulling für die Organisation dieser Konferenz herzlich zu danken.