Bericht der EU-Kommission zur Weinmarktreform

Die EU-Kommission hat kürzlich ihren Bericht an das EU-Parlament und den Rat „über die Erfahrungen bei der Durchführung der Reform des Weinsektors 2008“ vorgelegt. Es geht dabei um eine Analyse und Bewertung der seit der Weinmarktreform in 2008 eingetretenen Entwicklungen im Weinbausektor. Insgesamt werden die seit 2008 unternommenen Anstrengungen sowie die mit EU-Mitteln kofinanzierten Maßnahmen als positiv bewertet. Auch die Qualität habe sich verbessert, so der Bericht, der nachstehend zusammengefaßt einzusehen ist.

Marktsituation im Weinbau

Rückläufige EU-Weinerzeugung, Rückgang des Weinkonsums in der EU und vermehrte Weinausfuhren in Drittländer, die deutlich über der Zunahme bei den Weineinfuhren liegen, Verringerung der Lagerbestände und steigende Weinpreise – mit diesen Faktoren charakterisiert die EU-Kommission die Situation des EU-Weinmarkts in den letzten Jahren. Damit sei das Marktgleichgewicht erreicht worden; gleichzeitig wurden bestimmte Marktmaßnahmen, wie die Förderung der Destillation von Trinkalkohol und der Verwendung von konzentriertem Most, schrittweise eingestellt.

Angebot

Die Gesamtmenge des in der EU erzeugten Weins und Mosts ging zwischen 2006/2007 von 186 Mio. hl auf 163 Mio. hl in 2011/2012 zurück. Die Kommission führt diese Entwicklung weitgehend auf die Verkleinerung der EU-Weinanbaufläche um 370.000 ha bzw. 10% zwischen 2006 und 2011 zurück. Ausgehend von einem Durchschnittsertrag von 50 hl/ha in der EU ergibt sich bei der gegenwärtigen EU-Weinanbaufläche von rund 3,3 Mio. ha eine durchschnittliche Menge von 165 Mio. hl Wein, ein Wert, der der tatsächlichen Gesamterzeugung im Zeitraum 2011 bis 2012 sehr nahekommt. Dabei habe die Umstrukturierung und Umwandlung keine allgemeine Steigerung der Erträge in der EU bewirkt, sondern vielmehr zur Erzeugung qualitativ höherwertiger Weine und/oder zu Kostensenkungen geführt.

Im Zeitraum 2011 bis 2012 verteilt sich die Erzeugungsmenge von 163 Mio. hl bei Wein und Most wie folgt:

–         103 Mio. hl (63%) Wein mit geschützter Ursprungsbezeichnung (g.U.)/geschützter geographischer Angabe (g.g.A.),

–         5 Mio. hl (2%) Rebsortenweine,

–         51 Mio. hl (31%) sonstige Weine ohne geographische Angabe (g.A.),

–         7 Mio. hl (4%) Traubensaft.

Frankreich und Italien sind auch 2011 bis 2012 (mit 51 bzw. 45 Mio. hl) die größten Weinerzeuger in der EU, gefolgt von Spanien (37 Mio. hl), Deutschland (9 Mio. hl) und Portugal (5,6 Mio. hl).

Nachfrage und Handel

Die für den Konsum bestimmte EU-Weinerzeugung ging von knapp 140 Mio. hl in 2006/2007 auf geschätzt gut 135 Mio. hl in 2010/2011 zurück. Der Trend ist jedoch nicht einheitlich: In den wichtigen Weinerzeugerländern im Süden der EU nimmt der Weinkonsum ab, während er in den nördlichen Mitgliedstaaten, die Marken- oder Rebsortenweine gegenüber Weinen mit g.U./g.g.A. bevorzugen, zunimmt. Festzustellen ist ebenfalls, bedingt durch die geringen Transportkosten, eine steigende Nachfrage nach Faßweinen.

Auch beim Wein für industrielle Zwecke (z.B. Destillation von Trinkalkohol oder Nebenerzeugnissen, Dringlichkeitsdestillation) ist, als Folge vor allem des Rückgangs der mit EU-Mitteln geförderten Destillation, ein Rückgang von rund 7 Mio. hl auf 26 Mio. hl zwischen 2006/2007 und 2009/2010 festzustellen.

Etwa 33% der EU-Weine – rund 49 Mio. hl in 2011 – werden zwischen den Mitgliedstaaten gehandelt und 15% in Drittstaaten exportiert. Die Gesamtmenge der EU-Ausfuhren in Drittländer ist von 17,9 Mio. hl im Jahr 2007 auf 22,8 Mio. hl im Jahr 2011 gestiegen; der Gesamtausfuhrwert der EU-Weine erhöhte sich indes um 36%, von 5,9 Mrd Euro in 2007 auf 8,1 Mrd. Euro in 2011. Die wichtigsten Ausfuhrländer waren 2011 die USA (23%), Rußland (18%) und China (10%). 65% der Exporte waren Flaschenweine, 24% Faß- und 10% Schaumweine.

Die Gesamteinfuhren der EU aus Drittländern stiegen zwischen 2007 und 2011 um 5%, von 12,9 Mio. hl auf 13,6 Mio. hl 2011; der Wert dieser Einfuhrweine sank von 2,7 Mrd. Euro auf 2,4 Mrd. Euro. Die wichtigsten Einfuhrländer waren 2011 Australien (26%), Chile und Südafrika (mit jeweils 20%) sowie die USA (19%). 64% aller EU-Einfuhren entfielen 2011 auf Großbritannien und Deutschland. Eingeführt wurden vor allem Faßweine, was nicht nur zu einer Reduzierung der durchschnittlichen Einfuhrpreise führte, sondern gleichzeitig auch zu einer deutlichen Steigerung der Wettbewerbsfähigkeit der Weine minderer oder mittlerer Qualität.

Derweil verlieren die EU-Faßweine gegenüber den ausländischen Faßweinen Marktanteile. Rückläufig waren auch die EU-Faßweinausfuhren: Insbesondere in Ländern wie den USA und Kanada büßen sie Marktanteile ein, während sie in China und Rußland Anteile hinzugewinnen.

Das Gesamtvolumen der Weinanfangsbestände ging von 175 Mio. hl im Zeitraum 2009/2010 auf 164 Mio. hl in 2011/2012 zurück, während die Preise für Faßweine seit Beginn des Wirtschaftsjahres 2010/2011 sowohl bei roten als auch bei weißen Faßweinen in den wichtigsten Erzeugermitgliedstaaten eine eindeutig steigende Tendenz aufweisen. Demgegenüber ging der Durchschnittspreis für Schaumwein zurück.

Weinbaureform und Marktmaßnahmen

Mit der Weinmarktreform von 2008 wurden einerseits Maßnahmen zur Herstellung des Marktgleichgewichtes ergriffen, darunter der schrittweise Abbau der Marktinterventionsmaßnahmen und die Rodungsregelung, andererseits Maßnahmen zur Stärkung der Wettbewerbsfähigkeit der EU-Weinerzeuger. Im Kommissionsbericht wird eine erste Zwischenbilanz zu diesen Maßnahmen gezogen.

Rodungsregelung

Ziel der Rodungsregelung war es, nicht wettbewerbsfähige, für subventionierte Destillationsmaßnahmen bestimmte Weine minderer Qualität aus dem Markt zu nehmen: Eine Fläche von 161.164 ha wurde über die Laufzeit von drei Jahren gerodet und ein Betrag von 1.024,62 Mio. Euro dafür aufgebracht. Die Regelung richtete sich an Weinerzeuger, die sich zur Rodung aller ihrer Rebflächen entschlossen (92% der Begünstigten) sowie an Erzeuger ab 55 Jahren (75% der Begünstigten). Für die EU-Kommission hat diese Rodungsregelung wesentlich zum Gleichgewicht auf dem EU-Weinmarkt sowie zur Stärkung der Wettbewerbsfähigkeit des Sektors beigetragen. Angemerkt wird ebenfalls, daß zwischen 2008 und 2011 über 111.000 ha ohne Inanspruchnahme von Fördermitteln gerodet wurden.

Nationale Stützungsprogramme

Mit der Weinbaureform in 2008 erhielten 18 Mitgliedstaaten, im Rahmen der nationalen Stützungsprogramme, eine spezielle Mittelausstattung für die Finanzierung von Maßnahmen im Weinsektor, wobei die Staaten aus einer Liste von elf Maßnahmen die ihren spezifischen Anforderungen entsprechenden Bereiche wählen konnten. Die Umsetzung dieser Programme verlief zwischen 2009 und 2011, gemäß Einschätzung der Kommission, reibungslos und rund 97% der zur Verfügung stehenden Gelder in Höhe von 2,8 Mrd. Euro wurden abgerufen. 42% der Mittel flossen in die Umstrukturierung und Umwandlung von Rebflächen, 12% in die Destillation von Trinkalkohol, 10% in die Destillation von Nebenerzeugnissen, 8,5% in die Absatzförderung von EU-Weinen in Drittländern und 8,2% in die Verwendung von konzentriertem Traubenmost durch Kellereien. 7% der Mittel wurden von den Mitgliedstaaten auf die Betriebsprämienregelung übertragen und rund 6% für Investitionen eingesetzt. In 2012 und 2013 dürfte die schrittweise Einstellung bestimmter Marktmaßnahmen dazu führen, daß andere Maßnahmen an Bedeutung gewinnen.

Bei ihrer Bewertung erachtet die Kommission verschiedene Verbesserungen als erforderlich. So weist sie darauf hin, daß die Förderung des Absatzes auf Drittlandsmärkten in den letzten Jahren zum Anstieg der Ausfuhren von Wein mit g.U./g.g.A. geführt hat. Zielgebiete sind die Märkte der USA, von Kanada, Japan und der Schweiz, jedoch auch die neuen Märkte von Schwellenländern wie China, Brasilien und Indien. Eine Verbesserung der Funktionsweise und der Wirksamkeit dieser Maßnahme sei anzustreben.

Als relativ niedriger (EU-weit rund 167 Mio. Euro) bewertet die Kommission den Betrag, der zur Förderung der Investitionen in den Betrieben verwendet wurde. Klärungsbedarf bestehe zu den innerhalb dieser Maßnahme förderfähigen Ausgaben.

Auf die Betriebsprämienregelung wurden zwischen 2009 und 2011 190 Mio. Euro übertragen – 2011 waren es 16% der Gesamtmittel. Spanien verwendete 32,6% seiner Mittel für die Betriebsprämienregelung. Luxemburg, Malta und Großbritannien entschieden sich für eine vollständige Mittelübertragung. Die Kommission sieht vor, diese Maßnahme aus den nationalen Stützungsprogrammen herauszunehmen, wobei die Mitgliedstaaten beschließen können, die Mittel teilweise oder vollständig endgültig auf die Betriebsprämienregelung zu übertragen.

Die Destillationsmaßnahme kommt nur in fünf Mitgliedstaaten zur Anwendung – die Kommission will prüfen, ob die Maßnahme in ihrer jetzigen Form fortgeführt werden soll oder für Kellereien bzw. Weinanbauer selbst geöffnet werden könnte.

Drei Maßnahmen – die Verwendung von konzentriertem Traubenmost, die Destillation von Trinkalkohol und die Dringlichkeitsdestillation – wurden bis 2012 schrittweise eingestellt, ohne das Gleichgewicht im Weinsektor nachteilig zu beeinflussen.

Qualitätspolitik, Kennzeichnung und Aufmachung

Die seit August 2009 in Kraft getretene Qualitätspolitik betrifft geschützte Ursprungsbezeichnungen (g.U), geschützte geographische Angaben (g.g.A) und traditionelle Begriffe, und hat zum Ziel, die Konsolidierung von Qualitätsweinen mit g.U. und g.g.A. und ihren Schutz vor rechtswidriger Aneignung in Europa und in Drittländern zu verstärken.

Bis zum 31. Dezember 2011 hatten die Mitgliedstaaten der Kommission 1.561 Spezifikationen für Erzeugnisse mit g.U./g.g.A zur Prüfung bis Ende 2014 übermittelt. Laut Kommissionsbericht zeige die erste Prüfung der eingegangenen Produktspezifikationen, daß in den meisten Unterlagen Änderungen notwendig sind, um Übereinstimmung mit den EU-Rechtsvorschriften herzustellen.

EU-weit sind 359 traditionelle Begriffe geschützt: 100 traditionelle Begriffe als nationale Synonyme für Weine mit g.U./g.g.A. und 259 als Qualitätsbezeichnungen. Für die Kommission sollten die Bestimmungen für traditionelle Begriffe, vor allem in bezug auf den Schutzumfang und die Kontrollvorschriften, einer Überprüfung unterzogen werden.

Zur Kennzeichnung und Aufmachung hält der Bericht fest, daß die einschlägigen Vorschriften für verschiedene Weinerzeugnisse weitgehend vereinfacht und harmonisiert wurden, womit der EU-Weinsektor nun über eine größere Flexibilität verfügt, vor allem in bezug auf die Erzeugung von Weinen ohne geschützte Ursprungsbezeichnungen oder geschützte geographische Angaben. Handlungsbedarf sieht die Kommission bei den Rebsortenweinen.

Önologische Verfahren

Die Änderung der Vorschriften für önologische Verfahren wird als einer der großen Erfolge der Reform des Weinsektors bewertet; damit sei die notwendige Flexibilität bei der Genehmigung neuer önologischer Verfahren geschaffen worden; der EU-Weinsektor werde den wissenschaftlichen und technischen Entwicklungen angepaßt und die EU-Weine könnten auf dem Weltmarkt mit Weinen aus Drittländern konkurrieren. Die Zulassung neuer önologischer Verfahren erweise sich als Notwendigkeit. Als neues mögliches Angebotssegment sieht die Kommission Weinerzeugnisse mit reduziertem Alkoholgehalt. Regelungen für die Verwendung von Weinbezeichnungen für diese Erzeugnisse wurden von einigen Mitgliedstaaten erlassen. Diesbezüglich plädiert die Kommission für eine gemeinsame, einheitliche Vorgehensweise, um einer etwaigen Fragmentierung des EU-Markts zuvorzukommen. Des weiteren sollte nach Meinung der Kommission eine weitergehende Harmonisierung und Vereinfachung der EU-Vorschriften für önologische Verfahren vorgenommen werden, um fairen Wettbewerb zwischen den EU-Weinerzeugern und Transparenz für die Verbraucher zu gewährleisten. Schließlich könnten die Vorschriften für das vollständige Auspressen der Trauben einschließlich der diesbezüglichen Kontrollen sowie die Vorschriften über die Mindestmenge Alkohol in Nebenerzeugnissen und die Destillation von Nebenerzeugnissen vereinfacht werden.

Schlußfolgerungen

In ihrer abschließenden Bewertung hält die Kommission fest, daß die Reform des Weinsektors 2008 erfolgreich durchgeführt wurde: Die Abschaffung von Marktinterventionsmaßnahmen vollzog sich ohne größere Störungen; die Rebflächen und die Weinerzeugung in der EU sind weiter der Nachfrage angepaßt worden; der Markt ist recht stabil, die Preise haben sich verbessert und trotz eines kontinuierlichen Rückgangs des Konsums im Binnenmarkt gibt es keine Anzeichen für strukturelle Überschüsse im Weinsektor. Die Handelsbilanz wird ebenfalls als positiv bewertet, obwohl Marktanteile sowohl auf dem Binnenmarkt wie auf Auslandsmärkten an konkurrierende Drittlandsweine verlorengehen. Abschließend wird nochmals darauf verwiesen, daß die Kommission weitere Möglichkeiten zur Verbesserung der Rechtsvorschriften prüfen wird, mit dem Ziel, einige spezifische Fragen im Zusammenhang mit den nationalen Stützungsprogrammen, der Qualitätspolitik, der Kennzeichnung und den önologischen Verfahren zu klären und im Detail darzulegen.