Die Reform der Gemeinsamen Agrarpolitik und die diesbezüglich derzeit laufenden Diskussionen im Europaparlament bzw. auf Agrarratsebene standen im Mittelpunkt einer Konferenz, zu der das Informationsbüro des europäischen Parlaments in Luxemburg in Zusammenarbeit mit Frau Lulling, Europaabgeordnete, am vergangenen Samstag Vertreter aus Landwirtschaft und Weinbau ins Vitarium der Luxlait eingeladen hatte.
Auch Landwirtschaftsminister Romain Schneider hatte Wert darauf gelegt, bei dieser Konferenz zugegen zu sein, ebenso wie die Direktoren von ASTA und SER. Als Agrarexperte im Europaparlament nahm Herr Andreas Schneider an der Diskussion teil.
Zu den von der Kommission vorgelegten sieben Reglementsvorschlägen werden zur Zeit im Europaparlament die entsprechenden Berichte verfaßt bzw. die Änderungsanträge bearbeitet – rund 7.400 solcher Änderungsanträge wurden zu den verschiedenen Vorschlägen seitens der Europaabgeordneten eingebracht.
Mit dieser Konferenz wollte Frau Lulling, die selbst 177 Änderungsanträge eingereicht hat, um dabei vor allem auf die spezifischen Interessen und Anliegen der hiesigen Landwirtschaft einzugehen, nochmals gemeinsam mit Minister Schneider und den Vertretern aus Landwirtschaft und Weinbau eine kritische Bewertung der Reformvorschläge vornehmen.
Knackpunkte der Reform, darin waren sich die Teilnehmer an der Konferenz weitestgehend einig, sind sicherlich einerseits die Konvergenz der Direktzahlungen zwischen Mitgliedstaaten bzw. auf nationaler Ebene zwischen Betrieben, andererseits das Greening der Direktzahlungen. Besonders schwerwiegend für die hiesige Landwirtschaft ist ebenfalls, bei der künftigen Politik zur ländlichen Entwicklung, die Neudefinition der benachteiligen Gebiete anhand der von der Kommission festgehaltenen biophysikalischen Kriterien: Gemäß der vorgenommenen Simulationen sind diese Kriterien nicht mehr flächendeckend erfüllt, womit ein wesentlicher Teil des Landes – bis zu 40% – riskiert, den Status des benachteiligten Gebietes zu verlieren, dies einhergehend mit gravierenden Folgen für die Betriebe.
Sowohl die Europaabgeordnete Astrid Lulling als auch Landwirtschaftsminister Romain Schneider übten in ihren Ausführungen Kritik an den Kommissionsvorschlägen – eine Kritik, die im übrigen von der Landwirtschaft selbst bereits getätigt wurde bzw. von ihr geteilt wird. In bezug auf das Greening weisen beide Redner die Vorschläge der Kommission zurück und plädieren für eine Verlagerung des Greenings in die zweite Säule, dies umso mehr als die mit den Agrarumweltmaßnahmen gemachten Erfahrungen sehr positiv zu bewerten sind. Als zu hoch wird auch der an das Greening gebundene Anteil der Direktzahlungen von 30% eingeschätzt. Sowohl im Europaparlament als auch auf Agrarratsebene seien deutliche Bestrebungen vorhanden, diesen Anteil auf 20% zu reduzieren und ebenfalls den Prozentsatz der ökologischen Vorrangflächen von 7% nach unten zu drücken. Zudem wird von einer Reihe von Mitgliedstaaten die Anrechnung des Eiweißpflanzenanbaus gefordert, womit letztlich auch die Abhängigkeit von Sojaimporten reduziert werden könnte.
Die Landwirtschaft kann diese Überlegungen und Forderungen zweifelsohne teilen und hofft, daß es sowohl dem Europaparlament wie auch den Agrarministern gelingen mag, diese Standpunkte durchzusetzen. Das gleiche gilt im übrigen in bezug auf die beim Greening anrechnungsfähigen Flächen, wo noch viele wichtige Fragen zu klären bleiben.
7% Greening oder ökologische Vorrangfläche würden für Luxemburg bedeuten, daß bei einer Ackerfläche hierzulande von etwa 60.000 ha, 4.200 ha aus der Produktion herausgenommen würden. Auch wenn wir einige Hecken und Randstreifen in diese 7% einrechnen können, würden immer noch rund 2.000 Hektar stillgelegt werden müssen, so richtigerweise Astrid Lulling. Bei einer durchschnittlichen Betriebsgröße von 59 ha würden theoretisch mehrere dutzend Betriebe in Luxemburg verschwinden.
Betreffend die Konvergenz zwischen Mitgliedstaaten gestaltet die Situation sich verhältnismäßig unproblematisch für unser Land, insofern die hiesigen Direktzahlungen in etwa auf dem EU-Durchschnitt liegen. Dem ist allerdings nicht so in bezug auf die Konvergenz zwischen Betrieben auf nationaler Ebene. Seitens der Landwirtschaft wurde bereits mehrfach auf diese Problematik verwiesen, insofern es damit zu spürbaren Mittelumschichtungen zwischen den Betrieben kommen wird, mit allen negativen Auswirkungen für die Betriebe, deren Direktzahlungen gekürzt würden. In dem Sinn waren Maßnahmen zur Abfederung dieser Beihilfekürzungen sowie ein möglichst langer Übergangszeitraum gefordert worden. Auf EU-Ebene plädieren zur Zeit einige Mitgliedstaaten dafür, die gleichen Kriterien bei der internen Konvergenz anzuwenden wie diejenigen für die Konvergenz zwischen den Mitgliedstaaten. Gemäß Vorschlag der Kommission soll für die Mitgliedstaaten, die 2013 pro Hektar weniger als 90% der durchschnittlichen EU-Direktbeihilfen erhalten, der Unterschied bis 2020 zu dem dann gültigen Durchschnitt um ein Drittel reduziert werden. Es ist dies eine Forderung, die weiter zu analysieren ist, wobei auch die Frage etwaiger Wettbewerbsverzerrungen durch unterschiedliche Direktzahlungen vertieft werden könnte. Eine weitere Piste, die untersucht werden sollte, ist die (im Zusammenhang mit der Konvergenz) im Europaparlament in Diskussion gebrachte eventuelle Einführung einer Greening-Flatrate.
In der Diskussion um Greening und Konvergenz wurde berechtigterweise seitens der Weinbauvertreter auf die spezifischen Probleme betreffend das Greening in den Dauerkulturen sowie die Neufestlegung bzw. Umverteilung der Direktzahlungen in Richtung Flatrate verwiesen, womit den Winzern ein wesentlicher Teil ihrer Direktzahlungen verlorenginge.
Auch in bezug auf die Marktinstrumente wurde zurecht auf ernsthafte Defizite in den Kommissionsvorschlägen hingewiesen: Sicher ist der Erhalt der Intervention als Sicherheitsnetz richtig und wichtig, allein diese Maßnahme genügt allerdings nicht in Krisenzeiten. Umso dringender wäre ein ausreichend, bis zu 1 Mrd. Euro dotierter, spezifischer Krisenfonds für die Landwirtschaft sowie eine Übertragung nicht gebrauchter Agrargelder von einem Haushaltsjahr auf das andere, anstatt die Verwendung derselben für die Finanzierung jedweder anderwärtiger Projekte, wie etwa des Galileo-Satellitensystems. Zustimmen muß man ebenfalls Landwirtschaftsminister Schneider, wenn er die Tendenz der Kommission kritisiert, sich immer mehr Kompetenzen aneignen zu wollen, um über sogenannte delegierte Akten zu regulieren, womit sowohl das Europaparlament als auch der Agrarrat vom Entscheidungsprozeß ausgeschlossen werden.
Auch der Vorschlag im Rahmen der ländlichen Entwicklung zur Neudefinition von benachteiligten Gebieten ist sowohl für Landwirtschaftsminister Schneider wie auch für die Europaabgeordnete Lulling sowie die Vertreter der Landwirtschaft und des Weinbaus inakzeptabel. Wie vorstehend erwähnt, riskiert ein großer Teil unseres Landes den Status des benachteiligten Gebietes zu verlieren, was direkt mit enormen Einkommensverlusten einhergehen würde. In dem Sinne kann die Landwirtschaft nur die Bestrebungen sowohl des Europaparlamentes als auch einiger EU-Landwirtschaftsminister (darunter Minister Schneider) unterstützen, die Neudefinition der benachteiligten Gebiete aus der derzeitigen Reform auszuklammern. Viele Fragen bleiben jedenfalls in diesem doch besorgniserregenden Dossier offen. Viele Fragen bleiben ebenfalls offen in bezug auf die weiteren Fördermaßnahmen der zweiten Säule, insbesondere auch in bezug auf die Investitionsförderung.
In der Diskussionsrunde wurde richtigerweise von allen Teilnehmern – ob Landwirtschaftsminister Schneider, Vertreter der Landwirtschaft oder die Europaabgeordnete mitsamt ihrem Experten – deutlichst unterstrichen, daß bei allem Greening das von Agrarkommissar Ciolos wiederholt genannte erste Ziel der Gemeinsamen Agrarpolitik und der Reform derselben, nämlich die Lebensmittelproduktion und die Sicherung der Lebensmittelversorgung, nicht nur nicht vergessen werden darf, sondern tatsächlich oberstes Ziel bleiben muß, daß dementsprechend die Reformmaßnahmen darauf ausgerichtet sein müssen, dieses Ziel zu erreichen. Dies bedeutet sowohl ein ausreichendes Agrarbudget als auch den Erhalt bzw. die Stärkung des Produktionspotentials der europäischen Landwirtschaft zu sichern. Schließlich geht es darum, zu verhindern, daß ganz Europa noch tiefer in die Abhängigkeit von Lebensmittelimporten gerät, womit zusätzlich Druck auf die Lebensmittelpreise, besonders in Entwicklungsländern, ausgeübt würde. Die Agrarpolitik darf jedenfalls nicht zu einer Umweltpolitik gemacht werden – vielmehr brauche Europa auch in Zukunft eine aktive Agrarpolitik, wurde betont. In dem Sinn kann man auch dem Agrarexperten des Europaparlamentes nur zustimmen, wenn er unterstreicht, daß vom Grundsatz her die Ausrichtung der Reformvorschläge falsch ist, insofern dabei die Wettbewerbsfähigkeit der Betriebe und der europäischen Landwirtschaft insgesamt zu kurz kommt.
Europa definiere den Rahmen für die Unterstützung, die den Betrieben hierzulande zukommen kann. Demnach gelte es, sich dort für angemessene Rahmenbedingungen einzusetzen, damit Landwirtschaft und Weinbau hierzulande reale Überlebenschancen haben. Auch gelte es, sich gegen die übertriebene Bürokratie zu wehren, die allerdings nicht nur von Brüssel kommt, so Astrid Lulling abschließend. Diesem Wink in Richtung Umweltministerium kann man allemal angesichts des immer wieder zutage tretenden, dennoch nicht unbedingt angebrachten Reglementierungs- und Überreglementierungseifer nur zustimmen.