Neuerliche Diskriminierung der Landwirte durch Veröffentlichung ihrer Daten!!

Am Dienstag dieser Woche hat die EU-Kommission einen Vorschlag angenommen, mit dem neue Vorschriften für die Veröffentlichung von Informationen über die Empfänger von Beihilfen aus den europäischen Agrarfonds festgelegt werden.

 Viele mögen sich noch an die sogenannte Transparenz-Richtlinie erinnern, deren Umsetzung 2008 dazu geführt hatte, daß sämtliche Empfänger von EU-Agrargeldern, sei es aus der ersten oder aus der zweiten Säule, namentlich im Internet veröffentlicht wurden. Damals hatten Landwirte aus verschiedenen EU-Ländern Klage gegen diese Veröffentlichung eingereicht. Auch der Vorstand der Bauernzentrale hatte beschlossen, gerichtliche Schritte zu unternehmen und im November 2008 reichten der Präsident und der Vizepräsident der Bauernzentrale eine entsprechende Klage beim hiesigen Verwaltungsgericht ein.

 In seinem Urteil vom November 2010 bezüglich der Klage zweier hessischer Bauern gegen die namentliche Internetveröffentlichung der ihnen gewährten Stützungsmaßnahmen aus den europäischen Agrarfonds hatte der Europäische Gerichtshof Teile der EU-Transparenzrichtlinie für ungültig erklärt. Die Richter sahen in der Maßnahme die Verhältnismäßigkeit verletzt und bewerteten die namentliche Veröffentlichung als unzulässigen Eingriff in das Privatleben. Eine ausgewogene Gewichtung der verschiedenen beteiligten Interessen sei nicht mehr mit der Veröffentlichung von Daten unter namentlicher Nennung aller betroffenen Empfänger und der genauen Beträge auf einer speziellen frei zugänglichen Internetseite gegeben, hieß es im Urteilsspruch. Eine solche Vorgehensweise stehe nicht in Einklang mit dem Recht der Empfänger auf Achtung ihres Privatlebens im allgemeinen und auf Schutz ihrer personenbezogenen Daten im Umfang dieser Beihilfen.

 Entsprechend diesem Urteil sperrten die Mitgliedstaaten den Zugriff auf die Angaben zu privaten Empfängern von EU-Agrargeldern. Lediglich Beihilfen für juristische Personen wurden noch im Internet veröffentlicht.

 Trotz dieses Urteils will die Kommission, insbesondere auch Agrarkommissar Ciolos, an der namentlichen Veröffentlichung von Agrargeldempfängern festhalten – die Entscheidung, ob ein landwirtschaftlicher Beihilfeempfänger mit Namen im Internet veröffentlicht wird oder nicht, soll lediglich von der Höhe der Zahlungen abhängen und dabei sollen nur Kleinstbetriebe ausgenommen werden, heißt es im nun vorgelegten Vorschlag. Die Mitgliedstaaten sollen sich dafür an den Schwellen orientieren, die sich aus der im Rahmen der Direktzahlungen geplanten Kleinerzeugerregelung ergeben. Gemäß derzeitigem Verhandlungsstand sind dies maximal 1.000 Euro pro Jahr. Alle Betriebe, die darüber hinausgehende Beihilfen erhalten – d.h. hierzulande, so wie in vielen anderen Ländern, praktisch alle Landwirte – wären veröffentlichungspflichtig, und zwar mit Angabe von Namen und Vornamen, dem Ortsnamen und der Postleitzahl. Genannt werden müssen, nach Ansinnen der Kommission, Direktzahlungen und Beihilfen aus der ländlichen Entwicklung einschließlich des nationalen Kofinanzierungsanteils. Die Informationen sollen zwei Jahre lang online bleiben. Die Beihilfen von Empfängern, die unter den Kleinerzeugerschwellen bleiben, sollen anonymisiert veröffentlicht werden.

 Die Kommission rechtfertigt ihren Vorschlag mit den Erwägungen des Europäischen Gerichtshofes. In seiner Urteilsbegründung habe derselbe darauf verwiesen, daß die ersten Veröffentlichungen vorgenommen worden seien, ohne nach einschlägigen Kriterien wie Zeiträumen, Häufigkeit oder Art und Umfang der Beihilfen zu unterscheiden. In Ciolos’ Amtsstuben scheint man nun die Ansicht zu vertreten, daß diesen Bedenken des Europäischen Gerichtshofes durch die Unterscheidung von Kleinbetrieben und sonstigen Empfängern zur Genüge Rechnung getragen wird.

 In der offiziellen Pressemitteilung der Kommission heißt es allemal, die erlassenen neuen Vorschriften würden den vom Gerichtshof erhobenen Einwänden Rechnung tragen und sich von denjenigen, die der Gerichtshof für ungültig erklärt hat, unterscheiden, insofern als sie nicht mehr pauschalisiert wären, sich auf eine überarbeitete, detaillierte Begründung stützten und detailliertere Angaben über die Art der Beihilfen bzw. die Maßnahmen, für die die Fondsmittel ausgegeben werden, beinhalten täten. Weiter geht von Seiten der Kommission die Rede vom Schutz des finanziellen Interesses, vorbeugender und abschreckender Wirkung der öffentlichen Kontrolle, von Stärkung der Rechenschaftspflicht,… Fadenscheinig wird auch angeführt, die Veröffentlichung helfe den Bürgern, die Gemeinsame Agrarpolitik besser zu verstehen und einen größeren Anteil an der Entscheidungsfindung zu nehmen. Die Publikation garantiere der Verwaltung eine höhere Legitimierung. (…). Vor Ort könnten die Menschen konkrete Beispiele für die Bereitstellung öffentlicher Güter durch die Landwirtschaft in Augenschein nehmen und damit die Rechtfertigung für staatliche Beihilfen.

 Die Bauernzentrale kann die nun wiederum geplante Veröffentlichung privater Daten der Landwirte in keiner Weise gutheißen. Bereits in 2009 hatte sie unterstrichen, daß eine solche Vorgehensweise einen ungebührlichen Eingriff in die Privatsphäre darstellt und einer flagranten Diskriminierung einer Kategorie von Bürgern gleichkommt. Zudem mußte festgestellt werden, daß die damals im Internet veröffentlichten Daten zu mißbräuchlichen Anwendungen, selbst von Seiten der Verwaltungen, führten.

 Auch die nun von der Kommission angeführten Argumente können nicht gelten gelassen werden, zumal sie mehr als fraglich sind – sei es in bezug auf die Erwägungen, mit denen die Kommission die Veröffentlichung begründet, sei es vor allem auch in bezug auf die Interpretation des Urteils des Europäischen Gerichtshofes: Seriös ist es jedenfalls nicht vorzugeben, den Bedenken des Europäischen Gerichtshofes würde Rechnung getragen, wenn dabei ein Schwellenwert festgelegt wird, von dem von vornherein gewußt ist, daß er von praktisch allen Landwirten überschritten wird. Umso nachdrücklicher ruft die Bauernzentrale die hiesige Regierung auf, sich gegen die Verabschiedung eines solchen Reglements auf EU-Ebene einzusetzen.