CRP-Gabriel Lippmann – Biogas-Kompetenzzentrum der Großregion (08.06.2012)

Optimierung des Vergärungsprozesses steht bei der Forschung im Vordergrund

(hl).- Seit sechs Jahren betreibt die öffentliche Forschungseinrichtung Centre de Recherche Public – Gabriel Lippmann wissenschaftliche Untersuchungen im Bereich Biogaserzeugung. Seither hat sich das Forschungszentrum mit Sitz in Belvaux einen Namen gemacht in der Großregion. Da der Vergärungsprozeß sehr komplex ist und die Fehlerquellen vielfältig sind, hat man von jeher den Fokus auf die Optimierung des Vergärungsprozesses und die Fehlervermeidung als Schwerpunkte der Forschung gelegt, die nicht nur aus Grundlagenforschung besteht, sondern mitunter einen direkten Praxisbezug hat. Und hierfür ist die Entwicklung einer „elektronischen Nase“ ein gelungenes Beispiel für anwendungsbezogene Forschung. Mit diesem mobilen, handlichen Meßgerät kann man anhand weniger Parameter in Echtzeit bestimmen, ob der Vergärungsprozeß optimal verläuft oder aber aus dem Ruder zu laufen droht – und zwar lange bevor die Störung von außen bemerkt werden kann.

De Letzeburger Bauer (LB) unterhielt sich mit Dr. Lucien Hoffmann, der als Direktor des Département Environnement et Agro-biotechnologies (EVA) auch für die Forschung der Biogasarbeitsgruppe um Dr. Philippe Delfosse zuständig ist, über die Aktivitäten der Forschungseinrichtung in Sachen Biogas.

LB: Dr. Hoffmann, was sind die derzeitigen Aktivitäten des CRP – Gabriel Lippmann im Bereich der Biogasforschung?

Dr. Hoffmann: Wir haben verschiedenste Forschungsaktivitäten im Biogasbereich und sind bestrebt, den ganzen Zyklus abzudecken, von der Substratseite über die Vergärung bis zur Valorisierung der Gärreste. Zum einen untersuchen wir in unserem Labor Substrate und Substratmischungen auf Methanausbeute und die chemische Zusammensetzung des Biogases. Zum anderen simulieren wir den Gärprozeß in unseren eigens für unsere Zwecke gefertigten Forschungsgärbehältern und untersuchen verschiedenste Einflüsse auf die Biogasentstehung, um den Prozeß zu optimieren. Und schließlich forschen wir an der Fehlererkennung im Gärprozeß und wie man solchen Fehlern vorbeugen kann – ein sehr wichtiger Faktor bei der wirtschaftlichen Optimierung der Biogasproduktion. In diesem Kontext haben wir vor zwei Jahren das Konzept „Biogasdoktor“ aus der Taufe gehoben, das nicht nur hierzulande, sondern auch in Frankreich auf eine sehr positive Resonanz stößt.

Unsere Forschung ist zwar nicht unbedingt kurzfristig, aber wenigstens mittel- bis langfristig auf Praxisbezug ausgerichtet: Die Fragen, die wir uns stellen, sollen praktische Fragen beantworten.

LB: Besonders prestigeträchtig scheint ja die „elektronische Nase“ zu sein, für die Sie nun einen Innovationspreis erhalten haben…?

Dr. Hoffmann: Ja, die „elektronische Nase“ ist etwas besonderes und wurde bei uns in zwei Jahren entwickelt. Der Hintergrund ist folgender: Während des Gärprozesses können unterschiedlichste Störungen auftreten und wenn die Gärung durch solche Störungen gestoppt wird und ein Gärbehälter entleert werden muß, entstehen für den Betreiber enorme Zusatzkosten.

Wir haben in unserem Labor herausgefunden, daß die verschiedenen Bakterienstämme, die bei der Methanbildung eine Rolle spielen, für ganz bestimmte Muster an einer Reihe von flüchtigen organischen Säuren, sogenannten VOX verantwortlich sind. So können wir an den Mustern dieser flüchtigen Säuren aus der Gasphase des Gärbehälters ablesen, ob der Gärprozeß im Optimum verläuft oder ob sich etwa die eine oder andere der vier relevanten Bakteriengruppen nicht günstig entwickeln und deshalb ein Totalausfall des Gärprozesses droht. Wenn man den Fehler im Gärprozeß früh genug bemerkt, ist noch ein Gegensteuern möglich, so daß der Prozeß aufrechterhalten werden kann.

Das mobile Gerät, das wir für die Bestimmungen der Säuremuster entwickelt haben, ersetzt den Gaschromatographen, der viel zu groß für einen mobilen Einsatz wäre. Die jeweiligen Säuremuster werden vom Gerät visualisiert, so daß auch Laien, die von Chemie nicht viel verstehen, die Meßwerte interpretieren können, z.B. bei einer Übersäuerung im Gärbehälter, der sogenannten Acidose.

LB: Ist dieses Gerät reif für den Praxiseinsatz?

Dr. Hoffmann: Es ist im Grunde praxisreif, aber an eine industrielle Produktion ist kurzfristig noch nicht zu denken. Wir haben beim nationalen Patentamt ein Patent für die elektronische Nase angemeldet und erwarten einen positiven Bescheid. Dann wäre das Verfahren ein Jahr lang international geschützt. In einem weiteren Schritt versuchen wir Partner in der Industrie zu finden, die diese Erfindung kommerzialisieren wollen. Die US-Firma, auf deren Komponenten unsere elektronische Nase beruht, hat bereits Interesse angemeldet. Wir spielen auch mit dem Gedanken, unsere Erfindung nächstes Jahr beim europäischen Patentamt anzumelden. Unser Ziel ist eine Meßtechnik, die für jeden Biogasanlagenbetreiber bezahlbar bleibt.

LB: Reiht sich die elektronische Nase ein in Ihr Konzept „Biogasdoktor“?

Dr. Hoffmann: Ja, die elektronische Nase ist quasi so etwas wie Krankheitsprophylaxe, ein Frühwarnsystem. Verschiedenste Prozeßstörungen können auftreten, wie z.B. falsche Temperaturregulierung, „Überfütterung“ der Methanbakterien im Gärbehälter, ein zu niedriges C/N-Verhältnis der Substratmischung, also ein zu hoher Stickstoffanteil, usw. Mit der elektronischen Nase geht man den Fehlerursachen auf den Grund und kann gezielt beraten, was momentan zu tun ist, damit der Patient schnell wieder ins Lot kommt. Wir sind daran interessiert, die elektronische Nase mittelfristig als Serviceleistung in der Großregion anzubieten. Diesbezüglich würden wir gegebenenfalls eine Marktstudie vorschalten, um das Nachfragepotential zu ermitteln.

Wenn die Prozeßstörung zu spät bemerkt wird, kommt die „Biogas Ambulanz“ zum tragen. Vor Ort wird diagnostiziert, was dem Patienten fehlt. Es werden verschiedene Werte bestimmt: pH-Wert, Pufferkapazität, Ammonium-Stickstoff, elektrische Leitfähigkeit und Temperatur im Gärbehälter sowie die chemische Zusammensetzung des Gases. Daraus ergibt sich die Diagnose, aus der Empfehlungen für den Betreiber abgeleitet werden.

Wir arbeiten im Rahmen von „Biogasdoktor“ seit mehreren Jahren mit der Biogasvereenegung und dem ASTA-Laboratorium erfolgreich zusammen. 2010 wurden von unserem Team drei Fälle von Acidose und ein Fall von Alkalose in luxemburgischen Biogasanlagen festgestellt. Die Betreiber sind stets sehr dankbar für die kompetente Beratung. Unser Ziel ist es, diese Vor-Ort-Beratung in der Großregion als kommerzielle Serviceleistung anzubieten.

Unter dem Motto „Farmer Biogas Schools“ bieten wir zudem ein Praxistraining an. Hierbei geht es um Prozeßführung, das Interpretieren von chemischen und physikalischen Parametern, die richtige Substratmischung, die Vermeidung von Prozeßfehlern und letztlich die wirtschaftliche Optimierung durch Optimierung der Prozeßführung. Dieses Training, das wir auch schon in mehreren französischen Schulungszentren durchgeführt haben, kommt bei den Praktikern ebenfalls sehr gut an.

LB: Ein Transport zur Klinik ist beim speziellen Patienten Biogasanlage wohl nicht möglich. Was ist also unter „Biogas Hospital“ zu verstehen?

Dr. Hoffmann: Wir fassen darunter all das zusammen, was uns hilft, den Gärprozeß zu verstehen und zu optimieren. Dazu gehört die Ermittlung des Biogaspotentials eines Substrats, die Wechselwirkungen zwischen Substraten und deren chemische Zusammensetzung und die Forschung in Sachen Prozeßoptimierung, bei der die Situation in den Praxisanlagen simuliert wird.

LB: Sie arbeiten auch an Interreg-Projekten mit. Was wird bei diesen Projekten im einzelnen untersucht?

Dr. Hoffmann: Wir sind Projektpartner in den Interreg-Projekten Enerbiom und Optibiogaz. Bei Enerbiom geht es um die nachhaltige Energiepflanzenproduktion, insbesondere im Hinblick auf Regionen, in denen Umweltaspekte bei der Agrarproduktion eine Rolle spielen. Wir haben hierfür verschiedenste Energiepflanzen im Labormaßstab auf Methanausbeute untersucht, dies in unseren 2-Liter-Reaktoren, die während 30 Tagen beprobt werden, um den energetischen Output eines Substrats messen zu können. Parallel haben wir Untersuchungen zur Verbesserung des Gärprozesses mit unseren 200 Liter fassenden Versuchsgärbehältern angestellt.

Beim Interreg-Projekt Optibiogaz sind wir ebenfalls zuständig für die Optimierung des Gärprozesses, wiederum anhand einer Simulation mit unseren Versuchsgärbehältern. Der gesamte Prozeßverlauf wurde hierbei automatisch aufgezeichnet mit täglichen Proben. Auf diese Weise ermöglichen wir eine Online-Kontrolle für den Prozeßverlauf.

LB: Welche Projekte sollen noch künftig in Ihrem Hause bearbeitet werden?

Dr. Hoffmann: Derzeit arbeiten wir an einem Kompartiment-System für die Biogaserzeugung. Beim Biomasseabbau in der Biogasanlage hat man es mit vier Etappen zu tun. In der ersten Etappe sind es die hydrolytischen, im zweiten die fermentativen, im dritten die acetogenen Bakterien, die in Aktion treten. Die eigentlichen Methanbildner kommen erst in der vierten Etappe zum Tragen. In jeder Etappe sind also andere Bakterienstämme wirksam, die wiederum unterschiedliche Ansprüche an ihre Umwelt haben. Dies versuchen wir mit unserem neuen Projekt „Gaspop“, das vom nationalen Forschungsfonds gefördert wird, zu berücksichtigen, indem wir einen Versuchsgärreaktor testen, wo diese unterschiedlichen Stämme in einem eigenen Kompartiment ihr Idealmilieu vorfinden, wo sie also optimal gedeihen. Wir hoffen, auf diese Weise den Abbau der Biomasse und somit die Biogasproduktion beschleunigen zu können.

Außerdem wollen wir ein Projekt starten, bei dem das Potential einer Kombination von Biogas- und Süßwasseralgenproduktion untersucht werden soll. Die Idee ist folgende: in einem geschlossenen System sollen die Algen produziert werden, und zwar auf Basis der Gärreste aus der Biogasanlage und des dort in den Gärbehältern frei werdenden Kohlendioxids. Die Algen wiederum werden regelmäßig geerntet und zur Biodieselproduktion verwendet. So erhält man ein geschlossenes System, das die kombinierte Produktion von Biomethan und von Biodiesel ermöglicht. Von Seiten deutscher und kanadischer Unternehmen gibt es ein potentielles Interesse, eine entsprechende Pilotanlage in Luxemburg zu betreiben.

Ein weiteres Forschungsgebiet wird die Valorisierung der Gärreste sein, und zwar über dieses Pilotprojekt hinaus. Dabei geht es auch um die Unbedenklichkeit der Gärreste bei einer Düngerverwendung, insbesondere auch aufgrund der Schwermetall- und Antibiotikagehalte sowie der Präsenz von Pflanzenkrankheitserregern bei der Verwendung von organischen Abfällen von Privathaushalten wie von Industrien.

Wir haben bereits Versuche gemacht in Sachen Temperaturempfindlichkeit von Pflanzenviren und -bakterien bei der Biogaserzeugung.

LB: Die luxemburgische Regierung hat ehrgeizige Ziele zum Ausbau der Erneuerbaren Energien gesteckt, bei denen Biogas ebenfalls eine wichtige Rolle spielt. Sehen Sie noch ein großes Potential für weitere Biogasanlagen?

Dr. Hoffmann: Es besteht eigentlich noch Potential für einen Ausbau, aber es gibt auch potentielle Stolpersteine. Die Substratverfügbarkeit ist das größte Problem. Ohne organische Abfälle bzw. Reststoffe ist ein wirtschaftlicher Betrieb der Anlagen nicht möglich. Zudem gilt es, auf Mais-Monokulturen zu verzichten.

Wenn bei begrenzter Substratverfügbarkeit der Bereich der organischen Abfälle von amtlicher Seite zu restriktiv gehandhabt wird, werden Biogasanlagen künftig nicht mehr genutzt. Die Nutzung und der regionale Bezug solcher Abfälle muß gewährleistet werden. Nur dann macht ein weiterer Ausbau im Biogasbereich Sinn.