Unter dem Begriff Schlupfwespen (Lege-Immen) versteht man kleine Wespen, die ihre Eier in die Larven von Schädlingen legen und dadurch zur natürlichen Schädlingsbekämpfung beitragen. Man bezeichnet sie auch als Nützlinge oder Parasitoiden. In der Produktion von Zierpflanzen und Schnittblumen im Gewächshaus sind diese Schlupfwespen bereits wichtige Gegenspieler von Blattläusen und Weißer Fliege. Auch im Raps spielen diese Nützlinge eine wichtige Rolle. Für jeden Schädling im Raps gibt es in Mitteleuropa mindestens einen dazugehörigen Parasitoiden. Beim wirtschaftlich bedeutenden Rapsglanzkäfer sind es sogar drei Arten verschiedener Schlupfwespen: Tersilochus heterocerus, Phradis interstitialis und Phradis morionellus. An der Tatsache, daß diese Nützlinge keinen umgangssprachlichen, sondern nur einen kniffligen lateinischen Namen haben, erkennt man bereits, daß man diese Insekten lange Zeit nicht wahrgenommen und ihre Bedeutung verkannt hat.
Momentan kann man diese kleinen Schlupfwespen gut in den Rapsblüten beobachten. Obwohl das Wort „Wespe“ im Namen vorkommt, wirken Sie auf den ersten Blick eher wie kleine Mücken und sind nur etwa 2-3 mm groß. Erst unter der Lupe erkennt man die typische, schmale Wespen-Taille. Die Schlupfwespen fliegen am Feldrand zwischen den Blütenständen hin und her, um Nektar als Nahrung aufzunehmen oder um die Larven des Rapsglanzkäfers zu finden, die sich in den geschlossenen oder bereits geöffneten Blüten befinden. Sobald sie eine Larve entdeckt haben, legen die Weibchen der Schlupfwespen mit ihrem Legebohrer ein Ei in die Larve des Rapsglanzkäfers (sogenannte Wirtslarve) hinein. Dabei wird die Larve des Rapsglanzkäfers aber nicht sofort getötet, sondern lebt normal weiter. In ihrem Inneren aber ruht nun das Ei der Schlupfwespe.
Sobald die Rapsblüte endet und die Larven des Rapsglanzkäfers sich auf den Boden fallen lassen, um sich im Erdreich zu verpuppen, naht der große Augenblick: die Larve der Schlupfwespe schlüpft im Inneren der Wirtslarve. Die Larve des Rapsglanzkäfers schafft es gerade noch, im Boden einen Kokon zu spinnen, dann ist es auch schon zu spät: die Larve der Schlupfwespe tötet ihren Wirt und frißt ihn von innen auf. Sobald die Wirtslarve des Rapsglanzkäfers verzehrt ist, spinnt nun ihrerseits die Schlupfwespen-Larve einen Kokon, um sich zu verpuppen. Im nächsten Frühjahr schlüpft dann die erwachsene Schlupfwespe aus dem Kokon im Boden. Der Kreislauf der Natur beginnt erneut.
Leider kann man diese Nützlinge im Raps nicht kommerziell züchten. Man sollte aber die Bedeutung der Schlupfwespen bei der Bekämpfung des Rapsglanzkäfers nicht unterschätzen. Bis zu 50% und mehr der Rapsglanzkäferlarven weisen eine Parasitierung durch Schlupfwespen auf. Das bedeutet, daß sich dadurch die Zahl der Rapsglanzkäfer im Folgejahr deutlich reduziert. Ohne Schlupfwespen würde jedes Jahr ein Massenauftreten des Rapsglanzkäfers im Raps zu beobachten sein. Durch Förderung und Schutz der Schlupfwespen ist also eine natürliche Bekämpfung dieses bedeutenden Schädlings möglich.
Michael Eickermann (CRP-Gabriel Lippmann)
Gilles Parisot (Chambre d’Agriculture)