Rio +20: Blick auf Nachhaltigkeit und grünes Wachstum

2012 jährt sich der Weltgipfel, auch Erdgipfel genannt, von Rio de Janeiro zum 20. Mal: Nach „Rio +5“ 1997 in New York und „Rio +10 in Johannesburg findet die dritte Nachfolgekonferenz „Rio +20“ vom 20. bis 22. Juni 2012 in Rio de Janeiro statt. Sie wird die Staats- und Regierungschefs der Welt zusammenführen mit dem Ziel, der nachhaltigen Entwicklung auf höchster politischer Ebene neuen Aufschwung zu geben.

Im Mittelpunkt der Rio +20-Diskussionen, zu denen die EU-Kommission bereits im vergangenen Jahr eine entsprechende Mitteilung vorgelegt hat, sollen insbesondere drei Themen stehen, nämlich die Bewertung der bisherigen Fortschritte und der noch nicht umgesetzten Schlußfolgerungen der großen Weltgipfel zur nachhaltigen Entwicklung; die Erneuerung des politischen Engagements für die nachhaltige Entwicklung sowie die Bewältigung neuer und zukünftiger Herausforderungen. Ein spezieller Akzent soll dabei auf die Entwicklung einer „grüneren“ Wirtschaft gelegt werden, ebenso wie auf die Armutsbekämpfung und die Schaffung eines angemessenen und handlungsfähigen institutionellen Rahmens der nachhaltigen Entwicklung.

Vor zwanzig Jahren definierte der sogenannte „Erdgipfel“ von Rio drei Säulen für nachhaltige Entwicklung: die wirtschaftliche Säule, die ökologische Säule und die soziale Säule. Das Konzept der nachhaltigen Entwicklung wurde seither oft thematisiert: Es ist ein Konzept, welches transversal durch alle Politiken gehen müßte und bei dem die drei Dimensionen gleichwertig zu berücksichtigen sind. Und dennoch besteht immer noch der Ansatz, nachhaltige Entwicklung vorwiegend auf ökologische Aspekte zu reduzieren oder zumindest letzteren eine absolute Priorität einzuräumen, wobei dazu tendiert wird, wirtschaftliche Aspekte den ökologischen unterzuordnen, während die soziale Dimension mehr als stiefmütterlich behandelt wird. Sollte dem auch so bei der anstehenden Konferenz in Rio de Janeiro sein, riskiert das angestrebte Ziel einmal mehr verfehlt zu werden.

Es gilt auch einer anderen, viel verbreiteten Idee entgegenzuwirken: Nachhaltige Entwicklung, darin sind sich alle Experten einig, ist nicht nur ein Konzept für die sogenannten reichen, industrialisierten Länder; nachhaltige Entwicklung muß auch Einzug in die Politiken der Entwicklungs- und Schwellenländer halten und dort auf allen Gebieten umgesetzt werden, ansonsten die sich stellenden Herausforderungen nicht bewältigt werden können.

Eine der zentralen Herausforderungen, der sich die Welt gegenwärtig stellen muß, ist zweifelsohne, der wachsenden Nachfrage nach Lebensmitteln zu begegnen, dies trotz endlicher Boden- und Wasserressourcen und des Klimawandels, und die akuten Hunger- und Armutsprobleme zu beseitigen. Dazu ist allen voran der Schutz der vorhandenen, begrenzten Ressourcen sicherzustellen. Negative Auswirkungen sowohl in wirtschaftlicher als auch in ökologischer und in sozialer Hinsicht haben – wie dies bereits wiederholt seitens der Landwirtschaft unterstrichen wurde – insbesondere Bodenversiegelung und Landgrabbing, womit zunehmend hochwertige landwirtschaftliche Nutzflächen verlorengehen bzw. in vielen Entwicklungsländern der Bevölkerung geradezu ihre Lebensgrundlage entzogen wird. 80% der Ärmsten in der Welt leben in ländlichen Gebieten und bestreiten ihre Existenz aus der Landwirtschaft, der damit weltweit eine zentrale Rolle zukommt.

Mit Blick auf die UN-Konferenz Rio +20 unterstreicht die europäische Landwirtschaft richtigerweise, daß die Ernährungssicherheit ein weltumspannendes Gebot ist, und daß die Landwirtschaft in die Lage versetzt werden muß, dieser Herausforderung nachzukommen, wobei gerade grünes Wachstum viel stärker als bislang vorangetrieben werden muß, wobei jedoch auch feststeht, daß (ebenso wie bei der Nachhaltigkeit) grünes Wachstum nicht auf ökologische Aspekte reduziert werden kann. Fatal wäre es nämlich, die Landwirtschaft in ein allein von ökologischen Erwägungen bestimmtes Korsett hineinzwängen zu wollen, wobei sowohl die wirtschaftlichen als auch die sozialen Aspekte zu kurz kämen. Von ganz entscheidender Bedeutung wird es vielmehr sein, die Produktionskapazität zu entwickeln und gleichzeitig die Effizienz der Ressourcennutzung weiter zu verbessern.

Von entscheidender Bedeutung wird es ebenfalls sein, daß die Kohärenz zwischen den einzelnen Politikbereichen gewahrt ist und eine nachhaltige Entwicklung in einem Bereich nicht durch andere Politiken oder Handelspraktiken unterlaufen bzw. zunichte gemacht wird. Die Zielsetzungen für Rio +20 sind ambitiös; ob die Konferenz konkrete Resultate bringt, bleibt allerdings offen.