Sicherheitstechnische Betrachtung von Biogasanlagen und deren Gefährdungspotential

Studie zu den Risiken der Biogasanlagen

Im Rahmen der Generalversammlung der Biogasvereenegong am 3. April präsentierte Herr Philippe Steffen von der ITM die von dieser Behörde in Auftrag gegebene Studie zu den Risiken auf Biogasanlagen in Luxemburg: „Sicherheitstechnische Betrachtung von Biogasanlagen und deren Gefährdungspotential“.

Wie Herr Steffen erläuterte, wurde diese anlageübergreifende Studie nach mehrfachen Diskussionen einerseits mit den Biogasanlagen-Betreibern, andererseits mit der Feuerwehr in Auftrag gegeben, dies auch verbunden mit der Frage, ob die derzeitigen Bestimmungen der ITM für die Biogasanlagen noch angemessen sind und den tatsächlichen Risiken ausreichend Rechnung tragen bzw. in welchen Punkten sie einer Überprüfung oder Anpassung bedürfen.

Zur Risiko- oder Gefahrenbemessung werden die Biogasanlagen in drei Gruppen unterteilt:

– Typ I (klein): Gasspeicher < 400 m3

– Typ II (mittel): Gasspeicher 400 m3< 1.200 m3

– Typ III (groß): Gasspeicher > 1200 m3

Die Risikoeinteilung erfolgt auf Basis des größten Einzelvolumens (meistens Fermenter) einer Anlage und als Berechnungsbasis wurde ein Überdruck von 50 mbar vorausgesetzt, wobei gewußt ist, daß in den hiesigen Biogasanlagen allgemein der Überdruck wesentlich niedriger ist.

Wenn eine Biogasanlage gut funktioniert und als technisch dicht gilt, stellt sie im regulären Betrieb keine Gefahren betreffend das Gas dar, so die allgemeine Bewertung von Herrn Steffen. Dennoch gilt Gas als die größtmögliche von einer Anlage ausgehende Gefahr, insofern Gas brennbar ist, explosionsfähig und hochentzündlich, jedoch nur bei Kontakt mit Sauerstoff.

Zu den anlagenspezifischen Gefahren gehören Korrosion, Leckagen (Folie, Leitungen), Ausfall der Elektrik, Versagen von Sicherheitseinrichtungen, Fehlbedienung, mechanischer Schutz und Brand, wobei Leckagen bei Folien und Leitungen als größtmögliches Risiko gelten.

Bei der durchgeführten Studie wurden verschiedene Szenarien in Betracht gezogen,

–         einerseits die plötzliche Freisetzung von Gas etwa durch Folienriß, mechanische Beschädigung, Blitzeinschlag oder Durchbrennen,

–         andererseits eine Rohrleitungsleckage, sei es eine Leckage an einem Flansch, sei es ein mechanischer Leitungsabriß.

Wenig relevant ist insgesamt die thermische Strahlung, insofern kein langer Brand von Gas ausgeht. Bei Verpuffung/Explosion wird für einen ganz kurzen Moment (ein paar Sekunden) sehr viel Energie und Hitze freigesetzt, was für einen Menschen, der sich in direkter Nähe befindet, gefährlich ist, jedoch keine Auswirkungen auf die Nachbarschaft hat. Die Druckwelle dahingegen hat einen größeren Radius.

Auswertung-Gasaustritt: Druckwelle/Explosion

Bei der Explosion eines Gasspeichers von 2.000 m3 mit einem Überdruck von 50 mbar würden beispielsweise durch die entstandene Druckwelle sämtliche Fenster in einem Radius von 94 m zerbrechen – eine solche Druckwelle würde jedoch keinen Menschenschaden verursachen. Laut ITM-Bestimmungen sollen sich demnach auch in diesem Radius keine Nachbarschaftsgebäude oder öffentlichen Straßen befinden.

Alle Anlagenbetreiber sollen die entsprechenden Informationen zugestellt bekommen, womit dann jeder Betreiber über die für ihn geltenden Werte verfügt.

 Auswertung-Folienbrand: Wärmestrahlung/Feuerball

Bei einem Folienbrand ist der Radius wesentlich kleiner als derjenige der Druckwelle bei Explosion, weil der Überdruck geringer ist, insofern hierbei das Gasvolumen nie vollständig freigesetzt wird – nur etwa ein Drittel des Gases wird freigesetzt. Allerdings kann sich eine gewaltige Stichflamme ergeben, die Schaden verursacht. Die Gefahrenzone bleibt jedoch begrenzt: Je nach Anlagegröße ergibt sich eine Gefahrenzone von 5 bis 13 Metern. Diese Werte sollen als Schutzabstand zu anderen Gebäuden berücksichtigt werden.

 Leitungsabriß

Eine weitere Gefahrenquelle, die als zweithöchstes Kriterium gilt, ist der Leitungsabriß: Hier gelten als Gefahrenzone für eine Druckwelle je nach Leitungsdurchmesser (50 oder 80 mm) und einem Überdruck von 50 mbar Abstände von 16 m bzw. 22 m. Demnach ergibt sich hieraus keine Zusatzgefahr, insofern die vorgesehenen Abstände zum Gasspeicher sehr viel größer sind. Zudem können undichte Leitungen im Freien als nicht gefährlich eingestuft werden, da so wenig Gas freigesetzt wird, daß keine Explosionsgefahr gegeben ist.

Gefährlicher kann dahingegen die Jet-Flamme sein: Je nach Leitungsdurchmesser von 50 mm oder 80 mm kann die Flammenlänge, bei Windstille, 4 m bzw. 6 m betragen.

 Gefahrenabwehr und Anpassung der Vorschriften

Zu den Maßnahmen zwecks Gefahrenabwehr gehören die Verwendung der geeigneten Materialien, technische Schutzeinrichtungen, Schutzabstände, Explosionsschutzdokumente, Anfahrschutz bzw. Umzäunung der Anlagen, sowie eine geeignete räumliche Aufteilung, Blitzschutz, Feuerwehreinsatzpläne sowie auch die Wartung und Kontrolle der Anlage durch den Betreiber selbst.

Auf Basis der durchgeführten Studie wird eine Anpassung der ITM-Vorschriften für Biogasanlagen vorgenommen. So will die ITM in Zukunft einen verstärkten Akzent auf den Blitzschutz legen, da der Blitzeinschlag eine reale, nicht vorhersehbare Gefahrenquelle ist. Diesbezüglich wird das Heranziehen eines Experten angeraten. Anpassungen der Vorschriften sind ebenfalls in bezug auf eine räumliche Trennung von Maschinenraum und Kontrollraum vorgesehen. Da Brände oftmals durch die Elektrizität bedingt sind, ist eine Raumtrennung sinnvoll. Für Neuanlagen soll eine Anpassung der Schutzabstände erfolgen. Verpflichtend wird die Aufstellung eines Feuerwehreinsatzplanes: Insofern Explosionsgefahr bei Biogasanlagen besteht, wäre eine Dokumentation zum Explosionsschutz verpflichtend. Weil solche Prozeduren jedoch sehr aufwendig für die Anlagen wären, werden die Feuerwehreinsatzpläne als genügend betrachtet.

Altanlagen werden bei Umbau oder Erweiterung an die neuen Vorschriften angepaßt. Falls dies nicht möglich ist, kann die Anlage gegebenenfalls nicht dort ausgeweitet werden, wo sie steht und ein neuer Standort für den Fermenter oder den Gasspeicher muß gefunden werden. In solchen Fällen sollen die betroffenen Betreiber Kontakt mit der ITM zwecks Lösungssuche aufnehmen.

Besonderen Wert legt die ITM auf die Erstellung von Feuerwehreinsatzplänen: Alle Anlagen müssen über einen solchen Plan verfügen oder ihn anfertigen lassen. Der Plan muß in Papierform und in digitaler Form vorliegen und der Feuerwehr zu Verfügung gestellt werden. Im Feuerwehreinsatzplan enthalten sein müssen alle feuerwehrrelevanten Angaben (wie Absperrventil, Notausgang, Ex-Zonen, Wasserentnahmestellen) sein. Er muß ebenfalls eine Übersichtskarte als Luftbild beinhalten, damit die Anlage besser lokalisiert bzw. die Nähe zu anderen Bebauungen eingeschätzt werden kann. Darin angegeben sein müssen ebenfalls die Anfahrtswege, eventuelle Sammelstellen, weitere Vorsichtsmaßnahmen sowie die Kontaktperson.

Hierbei bietet die ITM ihre Mitarbeit an, bzw. ist bereit, eine Vermittlerrolle zu übernehmen. Geplant ist ebenfalls eine spezifische Schulung der Feuerwehr im Bereich der Biogasanlagen.

Insgesamt zeigt die Studie, daß von den Biogasanlagen keine großen Gefahren ausgehen bzw. der Gefahren-Radius begrenzt ist. Zudem wird in der Studie jeweils vom „worst case“, d.h. dem schlimmstmöglichen Fall ausgegangen. Damit liefert die Studie auch wertvolle Informationen hinsichtlich des Abbaus unbegründeter Ängste und Befürchtungen und zurecht wird unterstrichen, daß gut greifbare Informationen dazu dienen können, die Akzeptanz der Biogasanlagen in der Bevölkerung allgemein zu steigern.