Traditionelles Erntegespräch im Agrocenter

Es ist nicht das erwartete Superjahr, aber ein Jahr mit kostendeckenden Erzeugerpreisen

Auf Einladung von Versis weilten am 8. August die Minister Schneider und Schank im Merscher Agrocenter, um sich bei Versis und der Luxemburger Saatbaugenossenschaft (LSG) ein Bild von der diesjährigen Getreideernte zu machen (siehe hierzu auch den Leitartikel auf Seite 1). Beherrschende Themen waren jedoch nicht die Getreideernte an sich, sondern die weltweite Marktsituation sowie der Stand der Dinge in Sachen Agrarzenter-Projekt. Es war natürlich noch viel zu früh für eine Zwischenbilanz beim „Karschnatz“ und das wechselhafte Wetter zu Wochenbeginn sorgte dafür, daß es quasi keine Ware zum Abliefern gab.

Stand der Getreideernte

Versis-Direktor Georges Hilger und LSG-Direktor Henri Noesen stellten in kurzen Zügen den Stand der Ernte vor. Sie machten auf den hohen Krankheitsdruck und die dadurch bedingte Notwendigkeit verstärkter Bekämpfungsmaßnahmen aufmerksam. Die Ernte hat wegen der kühlen und niederschlagsreichen Witterung mit zwei Wochen Verspätung gegenüber den letzten Jahren begonnen. Wegen dieser Verspätung wird damit gerechnet, daß sich die Getreideernte im Ösling bis Anfang September hinziehen wird.

Von Versis wird geschätzt, daß das Ernteaufkommen diesmal 15% höher sein wird als 2011. Versis hat mit 27.000 t bislang rund ein Drittel der erwarteten Menge erfaßt. Davon sind 11.000 t Wintergerste, die quasi komplett abgeerntet ist. Die Hektarerträge schwanken bei dieser Kultur üblicherweise zwischen 50 und 65 dt/ha. Das Hektolitergewicht ist relativ niedrig, was von Versis auf einen Mangel an Sonnenstunden in den Sommermonaten zurückgeführt wird.

Des weiteren wurden bislang rund 11.000 Tonnen Raps abgeliefert, rund die Hälfte der erwarteten Gesamtmenge. Mit zumeist 25-35 dt/ha ist der Ertrag relativ schwach. Dies wird auf die Auswinterungsschäden und den hohen Krankheitsdruck zurückgeführt. Die Qualität ist jedoch gut und der Ölgehalt liegt bei maximal 47%. Es ist ein hoher Anteil kleiner Körner zu verzeichnen.

Des weiteren sind in noch relativ geringer Menge Winterweizen und Wintertriticale erfaßt worden. Bei diesen beiden Winterungen ist es noch zu früh, um Aussagen über Mengen und Qualitäten machen zu können.

Bei der LSG wurden bislang 2.600 t Saatgetreide erfaßt, somit nur etwas mehr als die Hälfte als in einem „Normaljahr“ zu diesem Zeitpunkt. 20% davon mußten nachgetrocknet werden. Auf das Wintergerstensaatgut entfallen bislang 2.000 t. Hiervon bleiben immer noch rund 150 t im Ösling zu ernten. Die Erträge schwanken bei dieser Kultur zwischen 50 und 90 dt/ha. Hektolitergewicht und Tausendkorngewicht lassen sehr zu wünschen übrig.

Weitere 450 t entfallen auf Wintertriticale. Auch bei dieser Kultur ist ein relativ hoher Anteil von Taubährigkeit und Schrumpfkörnern zu beobachten.

Henri Noesen machte auf die bisherigen Erfahrungen aufmerksam, daß wohl aufgrund von schlechter Witterung während der Bestäubung und wegen des hohen Krankheitsdrucks viele Ähren ganz oder teilweise taub geblieben sind. Die Wintergerste sei den hohen Ertragserwartungen deshalb nicht gerecht geworden und die ersten angelieferten Wintertriticale- und Winterweizenpartien deuteten darauf hin, daß dieser Trend sich bestätige.

Andauernde Hochpreisphase

Georges Hilger kam auch auf die Marktsituation für Getreide und Raps zu sprechen. Als größten Einflußfaktor für das europäische Getreideangebot nannte er die massiven Auswinterungsschäden auf schätzungsweise 3,86 Mio. ha. Allein auf Polen und die Ukraine entfallen hierbei insgesamt 2,4 Mio. ha, wobei in beiden Ländern jeweils 30% der Winterungen so stark geschädigt wurden, daß ein Umbruch unumgänglich war. In Frankreich beträgt der entsprechende Anteil 15%, in Deutschland 10%. Die umgebrochenen Felder wurden mit Sommerungen bestellt. Auch die LSG spürte die deutliche Nachfragebelebung im Frühjahr, die zu einem raschen Abverkauf ihrer Bestände an Sommergetreide-Saatgut führte. Von der Auswinterung waren vor allem Winterweizen und Winterraps betroffen.

Luxemburg kam mit einem blauen Auge davon: zumeist schützte eine geringe Schneedecke die Kulturen. Es kam beim Raps und bei der Wintergerste zu einer teilweisen Auswinterung, aber es mußten nur wenige Flächen umgebrochen werden.

Zu den Auswinterungsschäden gesellen sich in der Ukraine und in Rußland noch Dürreschäden, so daß das europäische Ernteaufkommen relativ niedrig bleiben und zu anhaltend hohen Getreidepreisen führen wird. Wegen des derzeit schwachen Euro wird zudem damit gerechnet, daß Getreide aus der EU verstärkt in Nordafrika abgesetzt wird.

Beim Raps führten zum einen die Auswinterung, zum anderen ungünstige Aussaatbedingungen in Polen und im Nordosten Deutschlands zu einem deutlichen Rückgang der Erntefläche auf nur noch 6 Mio. ha. In den Vorjahren standen durchschnittlich 6,7 Mio. ha zur Ernte an. Trotz des prognostizierten Verbrauchsrückgangs wird deshalb mit einem sehr niedrigen Endbestand in der Vermarktungskampagne 2012/13 gerechnet, was sehr stark zu einer Preisfestigung beiträgt.

Auch die aktuell wieder massive Spekulation mit Agrarrohstoffen an den Börsen wurde thematisiert. Diese hat zur Folge, daß die Kurse für Getreide und Ölfrüchte noch weiter in die Höhe getrieben werden. Nicht nur die Rapskurse befinden sich derzeit an den preisbestimmenden Warenterminbörsen in „schwindelerregenden“ Höhen, sondern auch die Kurse für Sojaschrot. Für Soja wurde aufgrund der anhaltenden Dürre in den USA gar ein historischer Höchststand erreicht. Versis weist in diesem Kontext darauf hin, daß immer mehr Getreide auf den Höfen gelagert wird, um es im Herbst oder im Winter zu vermarkten. Auch besteht die Möglichkeit, das Getreide im Frühjahr bereits zu einem Festpreis zu verkaufen und sich so den Preis für die kommende Ernte abzusichern.

Des weiteren wurde auf die deutlich gestiegenen Futtermittelkosten hingewiesen, die die Wirtschaftlichkeit in der Veredlung stark beeinträchtigen.

Agrarzenterprojekt in Colmar-Berg

Landwirtschaftsminister Romain Schneider machte diesbezüglich darauf aufmerksam, daß bei den derzeitigen Kosten für Betriebsmittel ein Milchpreis von 35-40 Cent angemessen wäre. Er lobte die Initiativen zum Anbau von Eiweißpflanzen in Luxemburg, die einen Beitrag dazu leisten können, die Abhängigkeit vom Ausland zu verringern.

Bezüglich des Agrarzenterprojekts in Colmar-Berg, dessen rasche Umsetzung sowohl vom Verband als auch von der LSG herbeigesehnt wird, sagten er und Marco Schank ihre Unterstützung zu. „Die Regierung hat im Moment alle Hausaufgaben gemacht“, hob Marco Schank hervor. Die Umklassierung in eine Aktivitätszone sei erfolgt, die Entscheidung, einen Kreisverkehr zwecks sicherer Geländezufahrt einzurichten, gefällt. De Verband habe die schriftliche Zusage bekommen, daß das Gelände zu denselben Konditionen erworben werden kann wie andernorts in Luxemburg. De Verband wurde gleichzeitig aufgefordert, dem Ministerium mitzuteilen, wie groß die zu bebauende Fläche sein wird und welchen Flächenanteil die Produktionsstätten und welchen Anteil die rein kommerziellen Aktivitäten letztlich ausmachen werden. Unklar sei auch noch die genaue Entfernung des zu bebauenden Geländes zur Autobahn. Marco Schank zeigte sich zuversichtlich, daß die Genehmigungsprozeduren zügig abgewickelt werden können, machte aber deutlich, daß dies ein vollständiges Dossier voraussetzt. Es sei noch ein PAP nötig, wobei dessen Ausarbeitung zeitlich parallel zur Commodo-Prozedur möglich sein werde.

Der Direktor von De Verband, Jos Jungen, betonte, daß man am neuen Standort im deutschen Perl mit der Genehmigung vorankommt und zur Ernte 2013 die Siloanlagen in Betrieb nehmen will. Die bislang nach Mersch gehende Ware werde dann in Perl erfaßt, ebenso ein Großteil dessen, was bis dato nach Metz transportiert wird. Die Futtermittelproduktion soll Anfang 2014 nach Perl umziehen.