Was zu erwarten war, zeichnet sich immer deutlicher ab, ja nimmt alarmierende Ausmaße an: Die Corona-Pandemie trifft voll die Agrarmärkte mit weitreichenden Absatzeinbrüchen und spürbarem Preisdruck. Auch die hiesige Landwirtschaft ist direkt betroffen, dies umso mehr als die Lage im Milch- und im Rindfleischsektor besonders gravierend ist, den beiden wichtigsten Produktionsbereichen in der hiesigen Landwirtschaft. Darüber hinaus gehen für manche Betriebe wichtige Einnahmequellen verloren, wobei der eine oder andere davon mit extremen Schwierigkeiten konfrontiert ist.
Mit dem Shutdown bzw. dem Wegfall der Außer-Haus-Versorgung, der Schließung der Gastronomie- und der öffentlichen Restaurationsbetriebe ist ein essenzieller Absatzmarkt für Produkte aus der hiesigen Landwirtschaft weggebrochen, der nicht durch den gestiegenen Privatkonsum ausgeglichen werden kann.
Darüber hinaus haben der fast europaweite Shutdown sowie die Wiedereinführung von Grenzkontrollen zu sehr spürbaren Verwerfungen auf den europäischen und den internationalen Märkten geführt, wobei der Export in Drittstaaten weiterhin stockt. Der Absatz ist auch hier entsprechend rückläufig und die Kurse für Agrarprodukte am europäischen Terminmarkt fallen weiter. Auch die Aussichten sind eher düster. Anfang dieser Woche wurden die niedrigsten Butterpreise seit Juni 2016, inmitten der damaligen Milchkrise, notiert. Auch die Preise für Magermilchpulver sind deutlich gefallen und die Perspektiven für die kommenden Monate lassen weitere Preisrückgänge erwarten.
Angesichts der sich zuspitzenden Lage auf dem Milchmarkt appellieren hier und da die Molkereien an die Milchproduzenten, die Produktion zurückzufahren, was allerdings nicht unbedingt leicht umzusetzen ist. Manche Molkereien warnen vor Engpässen bei der Abnahme.
Alarmierend ist es jedenfalls, dass die Molkerei Lactalis bereits ein Schreiben an ihre Lieferanten gerichtet hat, um auf den gravierenden Preisverfall bei Milch hinzuweisen. Darüber hinaus heißt es in diesem Schreiben, dass die Molkerei nicht mehr die Abnahme sämtlicher Milch garantieren kann. Auch die Molkerei Luxlait wird ihre Lieferanten in ähnlicher Richtung über die gravierende Lage informieren. Die Aussichten sind demnach extrem besorgniserregend und müssen auch die politisch Verantwortlichen interpellieren.
Rückläufig ist ebenfalls, wie erwähnt, der Absatzmarkt für Fleisch mit abnehmenden Zahlen bei den Schlachtungen ebenso wie beim Lebendexport, derweil die Erzeugerpreise stark nach unten tendieren. Laut offiziellen EU-Statistiken fielen letzte Woche die Preise für Jungbullen hierzulande im EU-Vergleich überdurchschnittlich um mehr als 9%. Die bereits prekäre Lage der Fleischproduzenten bzw. Mutterkuhhalter verschlimmert sich somit nochmals. Unter Druck bzw. rückläufig sind auch die Schweinepreise und die Preise für Kälber – zuletzt lag der Preis für Kälber von 14 Tagen bei nur noch 40 Euro.
Extreme Absatzeinbrüche müssen die Winzer an der Mosel verkraften: Mit der Schließung der Gastronomiebetriebe ebenso wie mit der Absage von vielen Veranstaltungen, Festen und Events haben sie einen ganz wesentlichen Absatzmarkt verloren. Viele Betriebe stehen derzeit praktisch ohne Einnahmen dar.
Schwierig gestaltet sich die Lage auch bei den Gemüseproduzenten, die ihre Produktion zum Teil umstellen müssen, derweil die Lage extrem gravierend bei Spezialkulturen wie etwa der Spargelproduktion ist, wo die Betriebe in reale Existenznot geraten, wie unsere Reportage auf Seite 3 zeigt.
In den letzten Wochen hat die Bauernzentrale mehrfach betont, dass den Betrieben des Agrarsektors bei veränderten Marktbedingungen unverzüglich die notwendigen Stützungsmaßnahmen zukommen müssen.
Angesichts der derzeitigen Entwicklungen fordert die Bauernzentrale, dass nun alles in die Wege geleitet wird, damit den Betrieben tatsächlich geholfen wird, dass sich dabei nicht mit bereits bestehenden Stützungsmaßnahmen begnügt wird, dass zusätzliche Finanzmittel zwecks Kompensierungszahlungen bereitgestellt werden und dass auch hier und da neue Absatzmöglichkeiten geschaffen werden. Als Beispiel sei hier die Verwendung von Wein- und Obstbränden zur Herstellung von Desinfektionsmitteln genannt. Auch in anderen Bereichen kann und muss nach neuen Wegen gesucht werden.
Wichtig ist es, auf europäischer Ebene die bestehenden Marktinstrumente wie die private Lagerhaltung zu aktivieren. Sicher ist es auch richtig und wichtig, dass von EU-Seite ein Maßnahmenpaket für die Landwirtschaft geschnürt wurde – dabei handelt es sich allerdings vorwiegend um Darlehen bzw. um die vorzeitige Gewährung von Ausgleichszahlungen, die den Betrieben so oder so zustehen.
In einer Videokonferenz diese Woche betonte Kommissionspräsidentin von der Leyen nochmals die Wichtigkeit der Nahrungsmittelerzeugung und bezeichnete den Nahrungsmittelsektor in der EU als unverzichtbar. Es seien dabei vor allem die Landwirte, die dafür sorgten, dass auch in Krisenzeiten hinreichend Nahrungsmittel für alle verfügbar seien. Gerade die Bauern bräuchten deshalb mehr Hilfe bei der Bewältigung der aktuellen Herausforderungen. Ähnliche Aussagen wurden ebenfalls bereits von hiesigen politisch Verantwortlichen getätigt.
Umso nachdrücklicher ergeht von Seiten der Bauernzentrale die Forderung, dass dem Agrarsektor zusätzliche Mittel zukommen, und zwar außerhalb des europäischen bzw. des nationalen Agrarhaushalts, dass auch alles Notwendige unternommen wird, um die landwirtschaftlichen Betriebe adäquat zu stützen.
Leitartikel
“De Letzeburger Bauer” am 09.04.2020