Als Folge der Milchkrise in 2009 hatte die EU-Kommission bekanntlich eine Gruppe der Hochrangigen Experten Milch eingesetzt mit dem Auftrag, Empfehlungen zu künftigen Ausrichtung der Milchpolitik, dies auch im Hinblick auf das Auslaufen der Milchquoten in 2015, zu erarbeiten. Hauptanliegen war und ist dabei, den Milchmarkt zu stabilisieren und die Position der Milchproduzenten innerhalb der Lebensmittelkette zu stärken. Ende 2010 hatte die Kommission entsprechende Legislativvorschläge vorgelegt, zu denen allerdings keine Einigung zwischen Europapaparlament und Agrarrat erzielt wurde. Demzufolge wurde eine sogenannte „Trilogie“, in der Rat, Parlament und Kommission vertreten sind, beauftragt, einen Kompromiß zu den strittigen Punkten zu finden. Am Dienstag dieser Woche, dem 6. Dezember, wurde nun ein solcher Kompromiß verabschiedet, womit das Legislativpaket nun weiter vorangetrieben werden kann.
Gemäß festgehaltenem Kompromiß und, wie es heißt, zwecks Gewährleistung einer gerechten Konkurrenz, werden die ursprünglich vorgesehenen Begrenzungen betreffend die Erzeugerorganisationen beibehalten: Eine Erzeugerorganisation kann maximal 3,5% der europäischen Milchproduktion bzw. 33% der nationalen Milchproduktion erfassen. In Mitgliedstaaten, deren Milcherzeugung unter 500.000 t liegt, d.h. Luxemburg, Malta und Zypern, kann eine Erzeugerorganisation 45% der nationalen Milchproduktion gruppieren.
Die Einführung von Lieferverträgen zwischen Erzeuger und Verarbeiter, welche schriftlich sein müssen, bleibt freiwillig auf Ebene der Mitgliedstaaten. Entscheidet allerdings ein Mitgliedstaat, diese Verträge verpflichtend einzuführen, müssen letztere den Preis beinhalten. Die Mitgliedstaaten können eine Mindestvertragsdauer von wenigstens sechs Monaten festlegen. Falls die Erzeuger die Vertragsdauer ablehnen, steht es den Vertragsparteien zu, sämtliche Bestimmungen frei auszuhandeln. Jeder Vertrag muß vor Beginn der Lieferungen abgeschlossen sein und eine Reihe von Kriterien beinhalten, wie der Preis für Rohmilch unter Berücksichtigung der Marktindikatoren, die Zahlungsfristen und das System der Milchkollekte bzw. -ablieferung. Bei grenzüberschreitenden Lieferungen gelten grundsätzlich die Vorschriften des Ziellands.
Um sicherzustellen, daß diese Vertragsverbindungen ebenfalls in den benachteiligten Gebieten Anwendung finden, haben die Vertreter des Europaparlamentes die Kommission aufgefordert, zwei Berichte dazu zu erstellen, zum einen für Juli 2014, zum anderen für Ende 2018.
Zur Verbesserung der Funktionsweise des Marktes für Qualitätskäse mit Ursprungsbezeichnung oder geographischer Herkunftsangabe können die Mitgliedstaaten ein System der Angebotsregulierung einrichten, unter der Bedingung, daß ein solches System nicht dem Wettbewerbsrecht auf dem Binnenmarkt zuwiderläuft oder aber den Interessender kleinen Produzenten schadet. Ein solches System muß von mindestens zwei Dritteln der Milcherzeuger, die zwei Drittel der für die Käseproduktion bestimmte Milch darstellen, sowie ebenfalls von zwei Dritteln der Käseproduzenten, die zweiDrittel der Käseproduktion darstellen, unterstützt werden.
Spezifische Regeln sollen es Branchenverbänden ermöglichen, gemeinsame Aktionen durchzuführen, die dem Wettbewerbsrecht nicht voll unterliegen sollen. Dazu gehören Wissenstransfers sowie die Verbesserung der Markttransparenz ebenso wie Aktivitäten im Bereich der Forschung, der Innovation, der Qualitätsverbesserung sowie der Werbung. Darüber hinaus sollen regelmäßige Informationen zur abgelieferten Milchmenge bereitgestellt werden, dies um die Marktentwicklung nach dem Auslaufen der Quotenregelung zu verfolgen.
Der nun festgehaltene Kompromiß wird am 20. Dezember im Agrarausschuß des Europaparlamentes präsentiert und voraussichtlich im Februar vom Plenum verabschiedet, anschließend vom EU-Agrarrat. Die neue Reglementierung soll im Laufe von 2012 in Kraft treten und bis 2020 Gültigkeit haben.
COPA-COGECA: Milchpaket positiv, reicht aber nicht aus, um den Herausforderungen zu begegnen
Als einen Schritt in die richtige Richtung bewertet Copa-Cogeca den erreichten Kompromiß zum Milchpaket, insofern dieser auf eine Stärkung der vertraglichen Verbindungen zwischen Produzenten und Verarbeitern ausgerichtet ist. Damit können die Stellung der Landwirte innerhalb der Lebensmittelkette und damit auch ihre Markterlöse verbessert werden. Copa hebt nochmals hervor, daß die europäischen Milchproduzenten bei der rezenten Milchkrise mehr als 10 Mrd. Euro verloren haben, während insgesamt der Gewinn der Lebensmittelkette stabil blieb. Seit Beginn der Diskussionen zum Milchpaket vor zwei Jahren hat Copa stets für eine größere Konzentration des Angebotes plädiert, dies im Rahmen von Erzeugerorganisationen, einschließlich genossenschaftlicher Organisationen, sowie für die Festlegung minimaler Bedingungen für die auszuhandelnden Verträge, um somit die Verhandlungsposition der Produzenten innerhalb der Lebensmittelkette zu stärken. Copa begrüßt denn auch, daß diese Elemente im ausgehandelten Kompromiß zurückbehalten worden sind, unterstreicht aber mit Nachdruck, daß die Genossenschaften eine fundamentale Rolle in der Stärkung der Verhandlungsposition der Landwirte sowie deren Wachstumsfähigkeit spielen, was allerdings eine entsprechende Anpassung der europäischen Wettbewerbsregeln voraussetzt. Nach Ansicht von Copa ist es wichtig, daß die neuen Regeln den Produzenten und Verarbeitern mehr Sicherheit geben, insofern sie erlauben, im voraus die Preise und die abzuliefernden Mengen zu kennen.
Ebenso nachdrücklich unterstreicht Copa jedoch auch, daß dieser Kompromiß nicht ausreicht, um den sich stellenden Herausforderungen zu begegnen, und daß Marktinstrumente wie Intervention und private Lagerung bei Marktkrisen am wirksamsten bleiben. Deshalb fordert Copa flexiblere und den Bedürfnissen der Landwirte besser angepasste Maßnahmen, um die Produzenten gegen die extreme Markt und Preisvolatilität zu schützen und den Erhalt einer nachhaltigen und wettbewerbsfähigen Milchproduktion in Europa zu gewährleisten. Gerade in der derzeitigen schwierigen Finanzlage sei dies wichtiger denn je, wird mit Nachdruck hervorgehoben.