EU-Agrarhaushalt, Biodiversitätsstrategie und Strategie „Vom Hof auf den Tisch“: Landwirtschaft nicht zu sehr belasten

Stellungnahme der Bauernzentrale

Die Bauernzentrale hat die am 27. Mai von der Kommission präsentierten Vorschläge zum Mittelfristigen Finanzrahmen 2021-2027 und zum Wiederaufbaufonds „Next Generation EU“ zur Kenntnis genommen. Der EU-Agrarhaushalt soll auf dem Niveau von 2018 gehalten werden, was jedoch real einen Rückgang der Stützungsmaßnahmen der ersten Säule von mindestens 8,8% bis 2027 bedeutet. Obwohl mit dem Wiederaufbaufonds die Mittel für die ländliche Entwicklung aufgestockt werden, was positiv zu bewerten ist, müssen diese Vorschläge als unangemessen zurückgewiesen werden, zumal viele zusätzliche und sehr weitreichende Umwelt- und Klimaschutzleistungen von der Landwirtschaft abverlangt werden. Die Landwirtschaft ist sicher zu weiteren Leistungen bereit, fordert aber faire Bedingungen.

In dem Sinn müssen auch die letzte Woche von der EU-Kommission vorgestellten Strategien – die EU-Biodiversitätsstrategie und die Strategie „Vom Hof auf den Tisch“ – sehr kritisch bewertet werden. Beide Strategien sind zu einseitig nach ökologischen Gesichtspunkten ausgerichtet; sie stellen die Landwirtschaft an den Pranger, derweil wirtschaftliche und soziale Aspekte kaum bis gar nicht beachtet werden. Den Anforderungen einer nachhaltigen Vorgehensweise wird damit in keiner Weise nachgekommen. 

Kaum beachtet wird auch die Tatsache, dass sämtliche im Rahmen der GAP gewährten Stützungen, einschließlich der Direktzahlungen in der ersten Säule, bereits heute an streng festgelegte und umfassende Umwelt- und Klimaschutzmaßnahmen gebunden sind. 

Die Covid-19 Pandemie hat gezeigt, wie wichtig die Lebensmittelerzeugung auf lokaler und regionaler Ebene ist, um die Versorgung der Bevölkerung nicht nur mit ausreichenden, sondern auch qualitativ hochwertigen Lebensmitteln zu gewährleisten. Demnach muss die Rolle der Landwirtschaft als Lebensmittelproduzent weiterhin im Mittelpunkt stehen bzw. wieder in den Mittelpunkt gerückt werden.

Wenn es um die Biodiversitätsverluste geht, wird die Landwirtschaft schnell und einseitig als Sündenbock abgestempelt. Sie ist aber bei weitem nicht allein verantwortlich für etwaige Biodiversitätsverluste. Wirtschaftsexpansion, Städtebau, Ausbau der Verkehrsinfrastrukturen mit massivem Flächenverbrauch und Bodenversiegelung, zusammen mit unserer Lebensweise, sind zu einem wesentlichen Teil verantwortlich für den Verbrauch bzw. die Zerstörung der natürlichen Ressourcen. Eine sehr viel ausgewogenere Vorgehensweise ist demnach angesagt.

Die beiden Kommissionsstrategien sehen die Ausweisung eines großen Teils der Land- und Meeresfläche als Schutzzonen vor. Diesbezüglich unterstreicht die Bauernzentrale, dass hierzulande bereits weit mehr als 40% der landwirtschaftlichen Flächen als Schutzzonen ausgewiesen sind, sei es als Natura-2000 Gebiet, als Nationale Schutzzonen, als Wasserschutzzonen oder geschützte Biotope.

Der Einsatz von Pflanzenschutzmitteln ist und bleibt ein extrem kontroverses Thema. Pflanzenschutz bleibt allerdings unverzichtbar, dies auch in der Biolandwirtschaft, und zu weitreichende Verbote riskieren die Erzeugung mancher Lebensmittel in der EU zu hypothekieren. Pflanzenschutz ist eine Frage der Lebensmittelsicherheit und der Versorgung der Bevölkerung mit gesundheitlich unbedenklichen Lebensmitteln. Bevor demnach weitere Verbote erlassen werden, müssen die Forschung vorangetrieben und neue, gleichwertige und wirtschaftlich tragbare Pflanzenschutzmittel zur Verfügung gestellt werden. Darüber hinaus sei darauf verwiesen, dass bei den von der EFSA durchgeführten Zufallsstichproben 98% der untersuchten Lebensmittel keine Rückstande bzw. Rückstände unter den gesetzlichen Werten aufwiesen.

Die Bauernzentrale unterstützt ein effizientes Nährstoffmanagement, warnt aber vor einer drastischen Reduzierung der Düngung. Die Restriktionen dürfen weder die Bodenfruchtbarkeit beeinträchtigen noch der guten landwirtschaftlichen Praxis zuwiderlaufen.

Digitalisierung, neue Techniken und Forschung mit Entwicklung neuer Produktionsmittel können sicherlich zur Stärkung der Landwirtschaft beitragen. Deshalb müssen unverzüglich messbare und praxisnahe Fortschritte in diesen Bereichen erzielt werden, zudem ein umfassendes und finanziell ausreichend ausgestattetes Begleitprogramm zu deren Umsetzung aufgestellt werden.

Sehr kritisch müssen die Aussagen in den Kommissionsmitteilungen zur internationalen Handelspolitik bewertet werden; sie beinhalten keine nachhaltigen Engagements, nicht einmal in Bezug auf die Einfuhrtoleranzen im Zusammenhang mit nicht in der EU zugelassenen Pflanzenschutzmittelwirkstoffen.

Letztlich wird die Umsetzung der beiden Strategiepapiere in ihrer jetzigen Form dazu führen, dass die Landwirtschaft in der EU abgebaut wird, infolgedessen die EU riskiert, in neue Abhängigkeiten von Importen bei der Lebensmittelversorgung der Bevölkerung zu geraten, dies aus Regionen mit weit weniger hohen Umwelt- und Produktionsnormen.

Beim bevorstehenden Wiederaufbau der europäischen Wirtschaft, ebenso wie im Kampf gegen den Klimawandel, bedarf es einer starken, innovativen, leistungs- und wettbewerbsfähigen Landwirtschaft. Die Bauernzentrale erachtet dementsprechend eine Anpassung des EU-Agrarhaushaltes sowie eine Überprüfung der beiden Strategien als unumgänglich und richtet einen Appell an die hiesigen politisch Verantwortlichen, in dem Sinn zu agieren.

Zur Bewältigung der sich stellenden Herausforderungen bedarf es einer Stärkung der Landwirtschaft, und nicht zusätzlicher Auflagen und Restriktionen, die die Wettbewerbsfähigkeit der Betriebe radikal unterlaufen und letztlich zum Abbau der europäischen Landwirtschaft führen.