Landwirtschaft in den Balkanstaaten (II)

In unserem letztwöchigen Beitrag waren wir auf die Balkanstaaten Kroatien, Montenegro und Mazedonien eingegangen, die den Status als Beitrittsland bzw. Beitrittskandidat erlangt haben. Nachstehend eine kurze Beschreibung der Landwirtschaft in den vier übrigen Balkanstaaten, die einen EU-Beitritt anstreben, bislang jedoch noch nicht den Status eines Beitrittskandidats haben.

Albanien

Albanien (Hauptstadt Tirana) mit einer Gesamtfläche von rund 28.700 km2 zählt rund 3,58 Millionen Einwohner, wovon 92% in ländlichen Gebieten leben. Die Bevölkerungsdichte variiert von 56 Einwohner/ km2 in den entlegeneren ländlichen Regionen bis 459 Einwohner/ km2 in den städtischen Gebieten. So wie Kosovo hat Albanien eine junge Bevölkerung: Rund 28% der Einwohner sind weniger als 14 und nur 7,3% mehr als 65 Jahre alt. Mangelnde Ausbildung in der Bevölkerung allgemein stellt eines der großen Probleme dar, dies neben hoher Arbeitslosigkeit, wovon vor allem die jungen Menschen und die Frauen betroffen sind. Die Landwirtschaft bleibt in bezug auf die Beschäftigung der wichtigste Sektor, wobei sich jedoch in den Zahlen der nicht entlohnten Landarbeiter eine hohe Arbeitslosenrate versteckt. Circa 1,16 Mio. ha werden landwirtschaftlich genutzt: Etwa die Hälfte als Ackerland, 43% als Grünland und 8% für Dauerkulturen. Die Tierproduktion stellt in etwa 46% der landwirtschaftlichen Erzeugung dar. Die Landwirtschaft ist überwiegend klein strukturiert und die Durchschnittgröße der Betriebe – rund 400.000 insgesamt – beträgt 1,2 ha. 60% der Betriebe gelten als Subsistenzbetriebe, während 40% eher marktorientiert arbeiten. Das jährliche Wachstum im Agrarsektor belief sich in den letzten Jahren auf 3,5% gegenüber 6,5% in der übrigen Wirtschaft. Dennoch trägt die Landwirtschaft etwa 17% zum Bruttoinlandsprodukt bei; der Anteil des Agraretats im Gesamtstaatshaushalt beläuft sich allerdings gerade einmal auf 1,2%. Große Probleme bleiben in bezug auf die Landrückerstattung bzw. die Privatisierung zu lösen; die Prozeduren sind extrem lang und oft erfolglos. In dem Sinn weist Albanien auch heute noch die Züge eines kommunistischen Landes auf. Zwischen 2000 und 2008 wurde die Produktivität wesentlich gesteigert, dennoch bleibt das Land stark von Lebensmittelimporten anhängig, wobei die Importe die Exporte um ein Vielfaches übersteigen. Exportiert werden hauptsächlich Fischereiprodukte und Heilpflanzen, importiert wird u.a. Getreide, Obst und Fleisch, wobei etwa 90% des Fleischbedarfs durch Importe abgedeckt wird. Die Hauptprobleme für die schleppende Modernisierung der Landwirtschaft und die Entwicklung des Agrarsektors können wie folgt skizziert werden:

  • Extreme Fragmentierung des Landbesitzes und fehlende Tradition des bäuerlichen Familienbetriebes, da es unter dem kommunistischen Regime in Albanien keinen Privatbesitz gab.
  • Geringe Produktivität der Betriebe, zu geringe Investitionen in moderne Maschinen und Technologien sowie unterentwickelte Bewässerungsund Drainagesysteme. Zum Teil wird noch Technik russischer oder chinesischer Herkunft aus Zeiten vor der Transformation eingesetzt, was geringe Erträge und wenig wirtschaftliche Betriebe zur Folge hat. Beim Getreide liegen die Erträge bei nur 3 Tonnen pro Hektar, bei Milchkühen bei 2.000 Litern/Kuh.
  • Wenig entwickelter Verarbeitungssektor, der überwiegend von kleinen Unternehmen geprägt ist, sowie ebenfalls fehlende Vermarktungsstrukturen.

Hinzu kommen Landflucht und allgemein ein mangelndes Interesse an Investitionen im Agrarsektor. Die Regierung bemüht sich, die Landwirtschaft zu entwickeln und die Agrarimporte zu reduzieren. Seit einigen Jahren werden Subsidien an bäuerliche Betriebe vor allem zur Förderung des Obstanbaus, zum Aufbau von Treibhäusern, für Viehzuchtbetriebe und für die Anpflanzung von Olivenbäumen gewährt. Diese staatlichen Unterstützungen bleiben jedoch relativ gering. Die Regierung ist ebenfalls bemüht, die Bauern zu mehr Kooperation zu bewegen und dazu, ihre Betriebe zu vergrößern. Es herrscht allerdings viel Mißtrauen gegenüber solchen Bemühungen und Skepsis gegenüber kollektiven Betriebsformen und Genossenschaften.

Bosnien-Herzegovina

Bosnien-Herzegovina (Hauptstadt Sarajevo) hat eine Fläche von 51.280 km2 und eine Bevölkerung von 3,85 Mio., was eine Bevölkerungsdichte von 75 Einwohnern/km2 darstellt. Rund 14,5% der Bevölkerung sind weniger als 14 Jahre alt, ebenso viele mehr als 65 Jahre. 81% der Landesfläche gelten als ländliche Gebiete, wo rund 61% der Bevölkerung leben. 41% der Landesfläche bzw. 2,1 Mio. ha werden landwirtschaftlich genutzt; allerdings eignete sich nur etwa 1 Mio. ha für eine intensivere Bewirtschaftung. Große Teile von Bosnien- Herzegovina (66%) sind hügelig bis gebirgig und können nur teilweise als Grasland genutzt werden. Obst- und Weinbau werden auf rund 100.000 ha betrieben. Die Waldflächen werden mit 2.710.000 ha veranschlagt, 53% der Landesfläche. Hauptproduktionsbereich in Bosnien- Herzegovina ist die pflanzliche Produktion, während die tierische Produktion knapp ein Drittel der gesamten Erzeugung darstellt, wobei in den letzten Jahren insbesondere die Milchproduktion leicht ausgebaut wurde. Neben Gemüse sind Frischmilch, Mais und Kartoffeln wirtschaftlich von Bedeutung. Die Zahl der landwirtschaftlichen Betriebe wird auf 515.000 geschätzt. Die Landwirtschaft ist damit überwiegend kleinstrukturiert: 53,97% der Betriebe (291.000) bewirtschaften weniger als 2 ha und 29,48 % (159.000) zwischen 2 und 5 ha. Nur 2,9% der Betriebe (15.669) verfügen über mehr als 10 ha, während die übrigen 13,65% oder 73.700 Betriebe zwischen 5 und 10 ha bewirtschaften. Die noch verbleibenden meist größeren Staatsbetriebe funktionieren infolge des nicht abgeschlossenen Privatisierungsprozesses überhaupt nicht oder nur schlecht. Offiziell arbeiten 2,6% der Bevölkerung in der Landwirtschaft – in Wirklichkeit liegt dieser Anteil jedoch bei mehr als 20%. Nach einer langen Periode des Stillstandes und mangelnder Investierungen erholt sich die Lebensmittelindustrie, die bereits 2006 zu 80% privatisiert war, langsam. Haupthandelspartner von Bosnien-Herzegovina ist die EU. Der Anteil der Landwirtschaft am Bruttoinlandsprodukt liegt noch bei etwa 10%, tendiert jedoch nach unten. Trotzdem bleibt die Landwirtschaft ein wichtiger Wirtschaftssektor, insofern sie dem Großteil der ländlichen Bevölkerung, neben der Lebensmittelversorgung, ein Grundeinkommen sichert und damit auch ein wichtiger Faktor für die wirtschaftliche und soziale Stabilität im Land ist.

Kosovo

Das Kosovo (Hauptstadt Prishtina) umfaßt 10.887 km2 und zählt 2.130.000 Einwohner. Kosovo hat eine extrem junge Bevölkerung: 33% sind Kinder und Jugendliche unter 15 Jahre, 50% sind weniger als 25 Jahre und weniger als 7% über 65 Jahre alt. Zwei Drittel der Bevölkerung leben in ländlichen Gebieten – etwa 46,5% sind in der Landwirtschaft tätig, die damit auch die Haupteinnahmequelle für den Großteil der Bevölkerung darstellt. Die Wirtschaftsstruktur des Kosovo richtet sich heute nach marktwirtschaftlichen Prinzipien, bleibt aber weiterhin abhängig von internationaler Unterstützung. Das durchschnittliche Pro-Kopf-Einkommen ist das niedrigste in Europa und betrug im Jahr 2007 geschätzte 1.230 Euro. Der industrielle Sektor ist ausgesprochen schwach; Bergbau und Landwirtschaft sind die bedeutendsten Wirtschaftszweige. Landwirtschaftlich werden etwa 1,1 Mio. ha bewirtschaftet, davon 577.000 ha Getreide. 12% der landwirtschaftlichen Fläche und 40% der forstwirtschaftlichen Fläche sind heute noch in Staatsbesitz, 88% der landwirtschaftlichen Fläche ist im Privatbesitz von rund 460.000 Eigentümern, was eine sehr starke Parzellierung der Ländereien bedingt: Rund 2,3 Mio. Parzellen sind registriert. 16% der Gesamtexporte des Landes kommen aus der Landwirtschaft, deren Beitrag zum Bruttoinlandsprodukt bei 19% liegt. Allerdings ist das Kosovo auch ein großer Importeur von Lebensmitteln; letztere stellen fast ein Viertel aller Importe, die das Land tätigt, dar. Das Ackerland im Kosovo gilt als hochqualitativ, womit das Land über ein gutes Potential verfügt, die landwirtschaftliche Produktion auszuweiten. Allerdings stellen neben der Parzellierung bedeutende Altlasten – Wasser und Bodenverschmutzungen sowie Verschmutzungen durch die Industrie – eine enorme Herausforderung dar. Die Wasserressourcen sind eher beschränkt, die Irrigationssysteme veraltet. Neben dem Verlust von landwirtschaftlichen Flächen für den Wohnungsbau ist das Land zudem mit dem Problem der Abholzung sowie ebenfalls der Degradierung der Waldbestände konfrontiert. Die Produktivität in der Landwirtschaft ebenso wie die Mechanisierung bleiben sehr niedrig. Auch wurde und wird sehr wenig in die Landwirtschaft investiert, wobei die Landwirte auch kaum Zugang zu Krediten haben. Um dem entgegenzuwirken, wäre eine Verbesserung der Ausbildung und der Beratung dringend notwendig, um den Wissensstand der landwirtschaftlichen Bevölkerung sowohl in bezug auf die Produktionsmethoden als auch die Vermarktung zu verbessern. Die initiierten bzw. durchgeführten Förderprogramme in bezug auf die ländliche Entwicklung und die Landwirtschaft haben bislang eher mäßige Resultate gebracht. Maßnahmen wie die Zollbefreiung für agrarische Rohstoffe und Investitionsgüter sowie die Befreiung von der Mehrwertsteuer für eine breite Palette von agrarischen Rohstoffen sollen die lokale Produktion stärken und die Konkurrenzfähigkeit gegenüber ausländischen Erzeugnissen erhöhen. Anvisiert werden die Verbesserung der Produktivität und Wettbewerbsfähigkeit, womit der Importbedarf bei Lebensmitteln reduziert werden soll, die Förderung der Verarbeitungsindustrie, die Schaffung zusätzlicher Einkommensquellen für die Landwirte und eine Steigerung von deren Lebensniveau, die Verbesserung der Qualitäts- und Hygienestandards, der Vermarktungskanäle sowie insgesamt der Infrastrukturen in den ländlichen Regionen. Demzufolge werden Programme im Bereich der Ausund Weiterbildung, des Managements der Wasserressourcen und des Naturschutzes durchgeführt. Zudem wird versucht, die Tätigkeiten auf den landwirtschaftlichen Betrieben zu diversifizieren, dies auch mit Blick auf die Schaffung neuer Arbeitsplätze außerhalb der Landwirtschaft. Allerdings bleiben große Mängel bei der Umsetzung der Strategien und Reglemente festzustellen; große Mängel bleiben ebenfalls in bezug auf die Information der ländlichen Bevölkerung über mögliche Förderprogramme bestehen. Insgesamt wird die Entwicklung in den ländlichen Gebieten eher negativ bewertet, dies umso mehr als Regierung und lokale Autoritäten die Entwicklung dieser Gebiete nicht wirklich in den Fokus ihrer Politiken stellen. Insgesamt sind Armut und Arbeitslosigkeit wesentlich höher auf dem Land als in den städtischen Gebieten; die Jugend sieht kaum eine Perspektive auf dem Land und ist auch kaum gewillt sich dort anzusiedeln, umso mehr es dort an fast allem fehlt: Straßen, sauberes Trinkwasser, öffentliche Dienstleistungen, Transportmöglichkeiten… usw. Angesichts dieser Lage werden verstärkte Investitionen in ländliche, nicht landwirtschaftliche Projekte als unumgänglich erachtet, sei es im Bereich des Landtourismus, der Entwicklung des Handwerks, der Aus- und Weiterbildung, des Transports…. In bezug auf die Entwicklung in der Landwirtschaft kommt, bedingt durch die historischen Erfahrungen, ein sehr großes Mißtrauen der Landwirte gegenüber Genossenschaften hinzu, ein Mißtrauen, welches ebenfalls durch die Tatsache gestärkt wurde, daß die wenigen Projekte von Auslandsinvestoren nicht den Interessen der lokalen Bevölkerung dienen. Erst 2010 wurde eine landwirtschaftliche Organisation, die Union of Farmer Association, mit Unterstützung des IADK – der Initiative für die landwirtschaftliche Entwicklung im Kosovo – gegründet, unter deren Leitung zwei Genossenschaften und 15 Vereinigungen in verschiedenen Produktionsbereichen (Orchideen, Gemüse, Milch, Imkerei) geführt werden.

Serbien

Serbien ist mit 88.300 km2 und 7,5 Mio. Einwohnern der größte der Balkanstaaten. Die Hauptstadt ist Belgrad. Mit der Donau verfügt Serbien über einen Wasserweg zu Europa und zum Schwarzen Meer. Die Landwirtschaft ist in Serbien eine der wichtigsten Wirtschaftsaktivitäten. Bewirtschaftet werden knapp 5,1 Mio. ha, die zu 80% (4,2 Mio. ha) als Ackerland genutzt werden. 30% der Landesfläche sind bewaldet. Die Landwirtschaft, einschließlich der Forstwirtschaft und der Fischerei tragen zu mehr als 10% zum Bruttoinlandsprodukt bei; die Exporte von Agrarprodukten stellten 2009 24% der serbischen Gesamtexporte dar. 55% der Bevölkerung leben in den ländlichen Regionen und etwa zwei Drittel der aktiven Bevölkerung bezieht seine Lebensgrundlage ganz oder teilweise aus der Landwirtschaft, die in Serbien durch die natürlichen klimatischen Bedingungen begünstigt wird und der seit jeher eine wichtige Rolle zukommt. Auf Basis der geographischen und klimatischen Bedingungen, der Bodenqualität und der Produktionssysteme können drei große landwirtschaftliche Regionen in Serbien unterschieden werden: Im Norden Serbiens die flachen und fruchtbaren Ebenen mit Getreide- und Gemüseproduktion, Zentral-Serbien mit eher hügeligem Land und das gebirgige Südserbien, mit Vieh- und Schafhaltung sowie Obst- und Weinbau. Serbiens Landwirtschaft bleibt vorwiegend kleinstrukturiert: Gut 440.000 Betriebe verfügen im Durchschnitt über 4 ha. Sie bewirtschaften vorwiegend in Privatbesitz 89% der landwirtschaftlichen Flächen, 80% des Ackerlandes. Demgegenüber stehen die großen ehemaligen Staatsbetriebe (sie sind inzwischen zu 70% privatisiert), die nicht nur die wichtigsten Produzenten sind, sondern auch das Rückgrat der Verarbeitungsindustrie. Das den Landwirten gewährte staatliche Stützungsniveau bleibt mit 30 Mio. Euro sehr niedrig. Insgesamt verfügt Serbien über ein großes Landwirtschafts-Potential, insbesondere in den weiten Ebenen der Donau und der Save, was allerdings ungenügend genutzt wird. Wichtigste Gründe dafür sind die kleinen Betriebsstrukturen, schlechte finanzielle Verhältnisse der Landwirte, mangelnde Ausbildung, fehlende Investitionen, die Überalterung der landwirtschaftlichen Bevölkerung und eine starke Landflucht. In den ländlichen Regionen bleiben die öffentlichen Dienstleistungen, sowohl bei Wasser wie bei Elektrizität, Schulen, Beratung, usw. weitgehend defizitär. Fehlen tut auch das notwendige Kapital, u.a. von ausländischen Investoren, zur Modernisierung und Anpassung der Verarbeitungsindustrie und zum Aufbau effizienter Vermarktungsstrukturen. Insgesamt werden die politische Instabilität und das fehlende Interesse seitens der politisch Verantwortlichen an einer realen Entwicklung der Landwirtschaft und der ländlichen Regionen angeprangert.